In dem von den Deutschen besetzten Europa wurden während des Zweiten Weltkriegs vielerorts Tötungszentren eingerichtet. Diese Einrichtungen dienten vorrangig oder ausschließlich dem Massenmord an Menschen in einem nahezu industrialisierten Verfahren. Einige wenige Gefangene konnten dem Tod vorübergehend entkommen. Sie wurden eingesetzt, um die Hauptfunktion dieser Einrichtungen in irgendeiner Form zu unterstützen. Die Tötungszentren werden auch als „Vernichtungslager” oder „Todeslager” bezeichnet.

Konzentrationslager dienten in erster Linie als Haft- und Zwangsarbeitslager. Es wurden dort jedoch auch kleinere, ausgewählte Personengruppen ermordet. Vernichtungslager hingegen waren meist reine „Todesfabriken”. Nahezu 2.700.000 Juden wurden in den Vernichtungslagern von SS und Polizei durch Ersticken durch Giftgas oder durch Erschießen ermordet.

Chelmno (Kulmhof)

Deportation nach Chelmno

Chelmno (Kulmhof) war das erste Tötungszentrum, das im Dezember 1941 seinen Betrieb aufnahm. Es befand sich im Reichsgau Wartheland, der einen von Deutschland annektierten Teil Polens umfasste. In Chelmno diente ein ehemaliges aristokratisches Herrenhaus als Empfangseinrichtung. Mitglieder einer Sondereinheit von SS und Polizei, die dem SS- und Polizeichef für das Wartheland unterstellt war, bewachten die Einrichtung. Sie töteten ihre Opfer in Lastwagen, deren Auspuffrohre umgebaut worden waren, sodass Kohlenmonoxid in einen abgedichteten Raum hinter der Fahrzeugkabine eingeleitet werden konnte. Die Leichen wurden anschließend in einen nahe gelegenen Wald transportiert, wo Massengräber ausgehoben worden waren. Zwischen Dezember 1941 und März 1943 sowie im Juni und Juli 1944 töteten die Deutschen in Chelmno mindestens 172.000 Menschen. Fast alle Opfer waren Juden, es waren jedoch auch 4.300 Sinti und Roma unter ihnen sowie eine unbekannte Zahl von Polen und sowjetischen Kriegsgefangenen.

Aktion Reinhard

Aktion Reinhard (Einsatz Reinhard) war der Deckname für das Vorhaben der Deutschen zur Ermordung der rund zwei Millionen Juden, die im so genannten Generalgouvernement lebten. Das Generalgouvernement war ein Teil des von Deutschland besetzten Polen, der nicht direkt von Deutschland annektiert, an Deutsch-Ostpreußen angegliedert oder in die von Deutschland besetzte Sowjetunion integriert war. Für die Umsetzung der Aktion Reinhard errichteten SS und Polizei drei Vernichtungslager: Belzec und Sobibor im Distrikt Lublin und Treblinka II im Distrikt Warschau. SS- und Polizeibeamte aus dem Stab des SS- und Polizeichefs in Lublin leiteten die für die Aktion Reinhard vorgesehenen Vernichtungslager. Polizeihelfer, die in einem Speziallager im Distrikt Lublin, im Ausbildungslager Trawniki, ausgebildet wurden, bewachten die Lager und unterstützten die Morde.

Belzec nahm den Betrieb im März 1942 auf, zeitgleich mit den Deportationen der Juden aus Lublin und Lwów (Lemberg). Sobibor nahm den Betrieb im Mai 1942 mit der Deportation von Juden aus ländlichen Gebieten des Distrikts Lublin auf. Treblinka II nahm den Betrieb im Juli 1942 auf, zeitgleich mit der Massendeportation von Warschauer Juden im Sommer 1942.

Zu den Opfern der Vernichtungslager der Aktion Reinhard gehörten polnische, deutsche, österreichische, niederländische, französische, tschechische und slowakische Juden sowie Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene und Polen. SS und Polizei töteten den Großteil der in die Vernichtungslager der Aktion Reinhard deportierten Häftlinge in stationären Gaskammern, in die tödliches Kohlenmonoxidgas über Lkw-Motoren eingeleitet wurde. Einige kleinere Zahl der Gefangenen wurde erschossen.

Aus jedem Transport wurden einige Häftlinge ausgewählt, um die Hauptfunktion der Lager zu unterstützen: die Ermordung von Menschen. Sie wurden oft als „Arbeitsjuden” und manchmal kollektiv als „Sonderkommando” bezeichnet und arbeiteten in den Tötungsstätten. Ihre Aufgabe war es, die Leichen aus den Gaskammern herauszutragen und zunächst in Massengräbern zu begraben. Ende 1942 und 1943 mussten die jüdischen Zwangsarbeiter die Leichen wieder ausgraben und in riesigen Gräben auf behelfsmäßigen „Öfen” verbrennen, die aus Eisenbahnschienen bestanden.

Andere ausgewählte Häftlinge, die dem Tod vorübergehend entkamen, arbeiteten in Verwaltung und Empfang. Sie wurden beim Aussteigen aus den Zügen, der Entkleidung, Abnahme von Wertsachen und der Überführung der Neuankömmlinge in die Gaskammern eingesetzt. Später sortierten sie die Habseligkeiten der Ermordeten für den Transport nach Deutschland aus und waren für die Reinigung der Güterwagons für die nächste Deportation zuständig. SS und Polizei sowie die in Trawniki geschulten Hilfskräfte ermordeten die jüdischen Arbeiter dieser Sonderkommandos regelmäßig und ersetzten sie durch andere Gefangene, die aus neu ankommenden Transporten ausgewählt wurden.

In den für die Aktion Reinhard eigens errichteten Vernichtungslagern ermordeten SS und Hilfskräfte zwischen März 1942 und November 1943 rund 1.526.500 Juden. Belzec stellte den Betrieb im Dezember 1942 ein, Sobibor und Treblinka wurden im November 1943 geschlossen. Rund 300 Häftlinge dieser drei Lager überlebten. Fast alle von ihnen flohen im August und Oktober 1943 während der Aufstände in Treblinka II und Sobibor.

Auschwitz-Birkenau

Leo Schneidermann beschreibt die Ankunft in Auschwitz, die Selektion und die Trennung von seiner Familie

Das größte Vernichtungslager war Auschwitz-Birkenau, auch bekannt als Auschwitz II. Es befand sich in Oberschlesien, einer polnischen Provinz der Zwischenkriegszeit, die direkt an Deutschland annektiert wurde. Die SS-Behörden errichteten Auschwitz-Birkenau im Frühjahr 1942.

Im Gegensatz zu Chelmno und den Vernichtungslagern der Aktion Reinhard war der KZ-Komplex Auschwitz nicht dem regionalen SS- und Polizeichef unterstellt. Auschwitz war Teil des KZ-Systems unter dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt. Auschwitz-Birkenau war ursprünglich als Zwangsarbeitslager für eine große Anzahl von zunächst sowjetischen Kriegsgefangenen und später jüdischen Zwangsarbeitern vorgesehen, die bei Bauvorhaben der SS eingesetzt werden sollten. Auschwitz-Birkenau entwickelte sich bereits in den ersten Wochen seines Bestehens zu einem Vernichtungslager. Mit den ersten Transporten slowakischer Juden im Frühjahr 1942 führte die SS ein Selektionsverfahren ein. Nicht arbeitsfähige Juden wurden direkt in zwei behelfsmäßige Gaskammern geschickt.

Im Frühjahr 1942, im Anschluss an die Wannseekonferenz, bestimmten Himmler und das RSHA Auschwitz-Birkenau als „Endstation” für europäische Juden (mit Ausnahme der Juden aus dem Warthegau, dem Generalgouvernement, und der besetzten Sowjetunion). Daraufhin errichteten die SS-Behörden in Auschwitz-Birkenau vier vergrößerte und „verbesserte” Gaskammern, die Anfang 1943 fertig gestellt wurden. Wie andere Konzentrationslager auch, jedoch anders als in anderen Vernichtungslagern, setzte die SS in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau Zyklon B-Gas (Blausäure) ein.

Im Rahmen der Deportation ungarischer Juden im Frühjahr 1944 erreichte Auschwitz-Birkenau seine höchste Tötungsrate. Bis zu 6.000 Juden wurden täglich von der SS vergast. Bis November 1944 hatte die SS in Auschwitz-Birkenau mehr als eine Million Juden und Zehntausende Sinti und Roma, Polen und sowjetische Kriegsgefangene getötet. Mindestens 865.000 Juden wurden sofort nach der Ankunft getötet. Der Großteil wurde in den Gaskammern ermordet.

Im Gegensatz zu Chelmno und den Vernichtungslagern der Aktion Reinhard fungierte Auschwitz-Birkenau auch als Zwangsarbeiterlager sowie als Internierungslager für jüdische Familien und Sinti und Roma-Familien. Tatsächlich behielt die Einrichtung stets auch ihre ursprüngliche Funktion als Zwangsarbeiterlager, wenngleich die Hauptfunktion ab 1942 die Massenvernichtung war. 1944 liquidierte die SS die Bewohner des jüdischen Familienlagers, die fast alle von Theresienstadt nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden waren. Ebenso tötete die SS die Bewohner des Sinti und Roma-Familienlagers, die aus Deutschland, Österreich und den tschechischen Ländern deportiert worden waren. Im Zuge dieser Operationen wurden fast 10.800 Juden und nahezu 2.900 Sinti und Roma in den Gaskammern getötet.

Die Lager der Aktion Reinhard und Chelmno wurden geräumt, nachdem sie ihren mörderischen Zweck erfüllt hatten. Auschwitz-Birkenau hingegen diente nach der Zerstörung der Gaskammern im November 1944 weiterhin als Konzentrationslager für Zwangsarbeiter. Die meisten Häftlinge waren jedoch zu Fuß oder in Zügen zwangsevakuiert worden, bevor das Lager am 27. Januar 1945 von Einheiten der Sowjetarmee befreit wurde.

Lublin/Majdanek

Viele Historiker/innen haben das Konzentrationslager Lublin, das sich in der Nähe des Lubliner Vorortes Majdan im Generalgouvernement befindet und oft als „Majdanek” (Klein-Majdan) bezeichnet wird, bisher als sechstes Vernichtungslager betrachtet. Jüngste Forschungen haben jedoch neue Erkenntnisse hinsichtlich der Funktionen und Vorgänge in Lublin/Majdanek ergeben. Genau wie Auschwitz-Birkenau, jedoch im Gegensatz zu den Vernichtungslagern Chelmno und der Aktion Reinhard, war Lublin/Majdanek als groß angelegtes Zwangsarbeiterlager vorgesehen, in dem zunächst sowjetische Kriegsgefangene und später Juden untergebracht werden sollten. Als die SS das Lager im November 1941 gründete, trug es die Bezeichnung „Kriegsgefangenenlager der Waffen-SS Lublin” und war dem SS- und dem Polizeichef des Distrikts Lublin unterstellt. Später wurde es in das KZ-System eingegliedert.

Im Gegensatz zu Auschwitz verlor Lublin/Majdanek nie seine primäre Funktion als Zwangsarbeits- und Konzentrationslager. Im November und Dezember 1942 kamen dort 24.000 Juden an. Diese waren eigentlich für das Vernichtungslager Belzec vorgesehen, allerdings beschlossen die Deutschen im Oktober, Belzec zu schließen. Die Mehrheit der nach Majdanek deportierten Juden war im Ghetto, auf dem Bahnhof in Lublin oder in den Vernichtungslagern Sobibor und Treblinka als potenzielle Zwangsarbeiter vorselektiert worden.

Während der Bauphase des Lagers von November 1941 bis Ende Frühjahr 1943 waren die allgemeinen Lebensbedingungen in Lublin/Majdanek erschreckend. Die meisten Gefangenen starben unmittelbar an den Folgen dieser Umstände oder waren so geschwächt und damit arbeitsunfähig, dass sie von der SS in den Gaskammern getötet wurden.

Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass maximal 170.000 Gefangene (vermutlich weniger) das Hauptlager in Lublin/Majdanek passierten. Davon waren fast die Hälfte Juden, bei den übrigen Gefangenen handelte es sich vorwiegend um Polen, sowjetische Kriegsgefangene, sowjetische Zivilisten und Tschechen. Zwischen 80.000 und 90.000 der Gefangenen waren Juden. Die SS tötete zwischen 60.000 und 72.000 der Juden, wobei weniger als die Hälfte bei der Ankunft und nicht alle Opfer in den Gaskammern getötet wurden. Die Mehrheit der jüdischen Opfer in Lublin/Majdanek starb an den Folgen brutaler Bedingungen oder Misshandlungen oder wurde nach der Registrierung im Lager und Feststellung der Arbeitsunfähigkeit in kleinen Gruppen in die Gaskammern geschickt. Bis zu 20.000 Menschen wurden vermutlich Wochen oder Monate nach ihrer Ankunft im Lager erschossen. Darunter befanden sich auch die letzten 18.000 jüdischen Häftlinge, die am 3. November 1943 im Rahmen der „Aktion Erntefest” in Gräben direkt neben dem Lager erschossen wurden.

Zwischen März 1942 und November 1943 bildeten jüdische Gefangene die Mehrheit – und zeitweise die überwältigende Mehrheit – der Gefangenen im Konzentrationslager Lublin/Majdanek. Nach den Morden der „Aktion Erntefest” im November 1943 machten Juden in Majdanek den geringsten Anteil an Gefangenen aus (357 von 6.565 im Dezember 1943, 5,44%). Zwischen April und Juli 1944 evakuierte die SS praktisch alle überlebenden Häftlinge von Majdanek in andere Konzentrationslager weiter westlich. So wurden am 23. und 24. Juli 1944 nur noch wenige hundert Häftlinge von den sowjetischen Truppen befreit.

Geheimhaltung der Vernichtungslager

Die wichtigsten Deportationen in Vernichtungslager, 1942-1944

Die SS klassifizierte die Vorgänge in den Vernichtungslagern als streng geheime Information. Wie auch bei anderen Aspekten hinsichtlich der „Endlösung der Judenfrage” sowie in Bezug auf sämtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit den Vorgängen in den von der SS betriebenen Lagern, wurden die Täter zur Verschwiegenheit verpflichtet. Bei unbefugter Weitergabe von Informationen konnten sie strafrechtlich belangt werden. Zum Teil zur Wahrung dieser Geheimhaltung und zum Teil aus hygienischen und räumlichen Gründen wies die SS-Führung die Lagerbehörden im Herbst 1942 an, von nun an die Leichen der Ermordeten zu verbrennen und bereits vergrabene Leichen zu exhumieren, um sie ebenfalls zu verbrennen. In den Vernichtungslagern der Aktion Reinhard und in Chelmno wurden die Leichen auf „Freiluftöfen” verbrannt, die behelfsmäßig aus Bahngleisen errichtet worden waren. Externe Sonderkommandos aus jüdischen Zwangsarbeitern wurden in Belzec und Chelmno mit dieser grausamen Aufgabe betraut, ebenso wie nach nach den Aufständen von Treblinka II und Sobibor. Nachdem sie ihre Arbeit verrichtet hatten, wurden die Gefangenen dieser Einheiten von der SS oder ihren in Trawniki ausgebildeten Hilfskräften erschossen. In Auschwitz-Birkenau wurden 1942-1943 zusammen mit den neuen Gaskammern große Krematorien gebaut. Sonderkommandos aus jüdischen Arbeitern, die aus den ankommenden Transporten ausgewählt worden waren, entsorgten die Leichen, bis die Vergasungen im November 1944 eingestellt wurden.

Die Vernichtungslager der Aktion Reinhard wurden vollständig geräumt und das Gelände neu gestaltet, um die ehemaligen Anlagen als landwirtschaftliche Betriebe zu tarnen. Im ersten Vernichtungslager Chelmno rissen Lagerbeamte das Lager und das so genannte Herrenhaus ab, bevor sie das Gelände im April 1943 räumten. Zwischen Frühjahr und Sommer 1944 wurde das Gelände kurzzeitig wieder als Vergasungsstätte genutzt, vorrangig für Juden aus dem Ghetto Lodz. Auch die Gaskammern in Auschwitz-Birkenau wurden nach den letzten Vergasungen im November 1944 von der SS abgerissen, allerdings fungierte das Lager bis zum Eintreffen der sowjetischen Truppen am 27. Januar 1945 weiterhin als Konzentrationslager.