Was war der Holocaust? 

Der Holocaust war die systematische, staatlich organisierte Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden durch das NS-Regime, seine Verbündeten und Kollaborateure.1 Das United States Holocaust Memorial Museum definiert den Zeitraum des Holocaust als die Jahre von 1933 bis 1945. Die Ära des Holocaust begann im Januar 1933, als Adolf Hitler und die NSDAP in Deutschland an die Macht kamen. Sie endete im Mai 1945 mit dem Sieg der Alliierten über Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Der Holocaust wird manchmal auch als „Shoah“ bezeichnet, das hebräische Wort für Katastrophe.

Antijüdisches Boykottschild in Berlin

Als die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, begannen sie nicht unmittelbar mit der Durchführung von Massenmorden. Doch gingen sie schon bald dazu über, durch Regierungsmaßnahmen Juden gezielt anzugreifen und aus der deutschen Gesellschaft auszugrenzen. Neben anderen antisemitischen Maßnahmen erließ das NS-Regime eine ganze Reihe von diskriminierenden Gesetzen und organisierte Gewaltakte gegen die Juden in Deutschland. Die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten nahm zwischen 1933 und 1945 an Radikalität zu. Diese Radikalisierung gipfelte schließlich in einem Plan, den die NS-Führung als „Endlösung der Judenfrage bezeichnete. Die „Endlösung“ bedeutete den organisierten und systematischen Massenmord an den europäischen Juden. Diesen Völkermord verübte das NS-Regime zwischen 1941 und 1945.

Warum machten die Nationalsozialisten die Juden zum Ziel ihrer Verfolgung?

Die Nationalsozialisten hatten eine radikal antisemitische Gesinnung. Das bedeutet, sie hatten Vorurteile gegen Juden und verachteten sie. Antisemitismus war ein wesentlicher Baustein ihrer Ideologie und Grundlage ihrer Weltanschauung. 

So beschuldigten die Nationalsozialisten die Juden etwa, die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Probleme Deutschlands verursacht zu haben. Sie machten sie insbesondere für die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg (1914-1918) verantwortlich. Einige Deutsche waren für die Behauptungen der Nationalsozialisten empfänglich. Der Verdruss über den verlorenen Krieg und die daraus resultierenden wirtschaftlichen und politischen Krisen trugen dazu bei, dass der Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft zunahm. Die Instabilität Deutschlands während der Weimarer Republik (1918-1933), die Angst vor dem Kommunismus und die wirtschaftlichen Erschütterungen durch die Weltwirtschaftskrise machten viele Deutsche empfänglich für nationalsozialistisches Gedankengut, darunter auch für den Antisemitismus.

Der Antisemitismus wurde allerdings nicht von den Nationalsozialisten erfunden. Antisemitismus beruht auf alten und weit verbreiteten Vorurteilen und hat im Laufe der Geschichte viele Formen angenommen. In Europa geht der Antisemitismus bis in die Antike zurück. Im Mittelalter (500-1400) beruhten die Vorurteile gegen Juden in erster Linie auf dem frühen christlichen Glauben und Denken, insbesondere auf dem Mythos, die Juden seien für den Tod Jesu verantwortlich. Misstrauen und Diskriminierung aufgrund religiöser Vorurteile existierten auch im Europa der frühen Neuzeit (1400-1800) weiterhin. Die Herrscher in weiten Teilen des christlichen Europas schlossen bereits damals die Juden von den meisten Aspekten des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebens aus. Diese Ausgrenzung trug zum Stereotyp der Juden als Außenseiter bei. Mit der zunehmenden Säkularisierung Europas wurden vielerorts die meisten rechtlichen Einschränkungen für Juden aufgehoben. Dies bedeutete jedoch keineswegs das Ende des Antisemitismus. Neben dem religiösen Antisemitismus traten im 18. und 19. Jahrhundert in Europa auch andere Formen von Antisemitismus auf. Dazu gehörten der wirtschaftliche, nationalistische und rassistische Antisemitismus. Im 19. Jahrhundert unterstellten Antisemiten, dass die Juden für viele soziale und politische Missstände in der modernen Industriegesellschaft verantwortlich seien. Rassentheorien, Eugenik und Sozialdarwinismus untermauerten und rechtfertigten derartige Feindbilder fälschlicherweise. Die Vorurteile der Nationalsozialisten gegen Juden stützten sich auf all diese Elemente, insbesondere aber auf den Rassenantisemitismus. Als Rassenantisemitismus bezeichnet man die Auffassung, dass Juden eine eigene und minderwertige Rasse seien. 

Außenausstellung der antisemitischen Zeitung Der Stürmer

Die NSDAP vertrat eine besonders virulente Form des Rassenantisemitismus. Diese war zentraler Bestandteil des rassistischen Weltbilds der Partei. Die Nationalsozialisten vertraten die Auffassung, dass die Welt in verschiedene Rassen aufgeteilt sei, wobei einige Rassen anderen überlegen seien. Für sie gehörten die Deutschen der vermeintlich überlegenen „arischen“ Rasse an. Sie behaupteten, die „Arier“ befänden sich in einem Existenzkampf mit anderen, minderwertigen Rassen. Zudem hielten die Nationalsozialisten die so genannte „jüdische Rasse“ für die minderwertigste und gefährlichste von allen. Nach Auffassung der Nationalsozialisten waren die Juden eine Bedrohung, die aus der deutschen Gesellschaft entfernt werden musste. Andernfalls, so die Nationalsozialisten, würde die „jüdische Rasse“ das deutsche Volk auf Dauer „verderben und vernichten“. Die von den Nationalsozialisten verbreitete, rassistische Definition der Juden schloss viele Personen ein, die sich selbst als Christen sahen oder keine praktizierenden Juden waren. 

Wo hat der Holocaust stattgefunden?

Der Holocaust ging von den Nationalsozialisten in Deutschland aus und fand im gesamten von Deutschland und den Achsenmächten kontrollierten Europa statt. Er betraf fast die gesamte jüdische Bevölkerung Europas, die sich 1933 auf etwa 9 Millionen Menschen belief. 

Der Holocaust nahm seinen Lauf in Deutschland, nachdem Adolf Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde. Fast unmittelbar danach schloss das NS-Regime (das sich selbst als Drittes Reich bezeichnete) die Juden aus dem wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Leben in Deutschland aus. In den 1930er Jahren setzte das Regime die jüdische Bevölkerung zunehmend unter Druck, um sie zum Auswandern zu bewegen. 

Die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten ging jedoch über die Grenzen Deutschlands hinaus. Während der gesamten 1930er Jahre verfolgte die NS-Herrschaft eine aggressive Außenpolitik. Diese führte schließlich 1939 zum Zweiten Weltkrieg. Aufgrund der territorialen Ausdehnung in der Vorkriegs- und Kriegszeit unterlagen schließlich Millionen weiterer jüdischer Menschen deutscher Kontrolle. 

Die Gebietserweiterungen unter den Nationalsozialisten begannen 1938/1939. In diesem Zeitraum annektierte Deutschland das benachbarte Österreich und das Sudetenland und besetzte die tschechischen Territorien. Am 1. September 1939 löste Deutschland mit dem Angriff auf Polen den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) aus. In den folgenden zwei Jahren überfiel und besetzte Deutschland große Teile Europas, einschließlich der westlichen Teile der Sowjetunion. Das NS-Regime baute seine Kontrolle immer weiter aus, indem es Bündnisse mit den Regierungen Italiens, Ungarns, Rumäniens und Bulgariens einging. Außerdem schuf es so genannte Marionettenregimes in der Slowakei und in Kroatien. Diese Länder bildeten zusammen die europäischen Mitglieder des Achsenbündnisses, zu dem auch Japan gehörte. 

1942 kontrollierte Deutschland – infolge von Annexionen, Invasionen, Besetzungen und Bündnissen – einen Großteil Europas und Teile Nordafrikas. Die nationalsozialistische Herrschaft war für die jüdische Zivilbevölkerung in ganz Europa mit extrem harten Maßnahmen verbunden und schließlich auch mit Massenmord. 

Die Nationalsozialisten und ihre Verbündeten und Kollaborateure ermordeten sechs Millionen Juden.

Die wichtigsten Deportationen in Vernichtungslager, 1942-1944

Wie gingen das NS-Regime, seine Verbündeten und Kollaborateure bei der Judenverfolgung vor? 

Zwischen 1933 und 1945 setzten das NS-Regime und seine Verbündeten und Kollaborateure verschiedenste antisemitische Maßnahmen um. Diese waren von Ort zu Ort unterschiedlich. Daher haben nicht alle Juden den Holocaust auf die gleiche Weise erlebt. Eines war jedoch überall gleich: Millionen von Menschen wurden allein deshalb verfolgt, weil sie als Juden galten. 

In den von Deutschland kontrollierten Gebieten nahm die Verfolgung der Juden verschiedene Formen an:

  • Rechtliche Diskriminierung in Form von antisemitischen Gesetzen. Dazu gehörten die Nürnberger Rassengesetze und zahlreiche andere diskriminierende Gesetze.
  • Öffentliche Anprangerung und Ausgrenzung. Dazu gehörten antisemitische Propaganda, Boykott von Geschäften in jüdischem Besitz, öffentliche Demütigungen und das Tragen sichtbarer Kennzeichen. So musste beispielsweise der Judenstern als Armbinde oder auf der Kleidung getragen werden. 
  • Organisierte Gewalt. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Novemberpogrom (auch als Kristallnacht bekannt). Es kam jedoch auch zu zahlreichen Einzelaktionen und weiteren gewalttätigen Ausschreitungen (Pogrome).
  • Deportation und Vertreibung. Die Nationalsozialisten zwangen jüdische Einzelpersonen oder ganze Gemeinden zur Emigration oder Umsiedlung oder sie vertrieben, deportierten oder schlossen sie in Ghettos ein, um sie aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen.
  • Inhaftierung. Die Nationalsozialisten internierten Juden in überfüllten Ghettos, Konzentrationslagern und Zwangsarbeitslagern, wo viele an Hunger, Krankheiten und infolge menschenunwürdiger Bedingungen starben.
  • Diebstahl und Plünderung. Die Beschlagnahmung von Wohneigentum, persönlichem Besitz und Wertsachen von Juden war ein wesentlicher Bestandteil des Holocaust. 
  • Zwangsarbeit. Juden mussten Zwangsarbeit leisten und wurden im Rahmen der Kriegsmaßnahmen der Achsenmächte, zur Bereicherung von NS-Organisationen, des Militärs und/oder privater Unternehmen ausgebeutet. 

Viele Juden kamen als Folge dieser Maßnahmen zu Tode. Vor 1941 gehörte der systematische Massenmord an Juden jedoch nicht zur NS-Politik. Anfang 1941 beschloss die NS-Führungsspitze dann, den Massenmord an den europäischen Juden gezielt durchzuführen. Sie bezeichnete diesen Plan als „Endlösung der Judenfrage“. 

Was war die „Endlösung der Judenfrage“?

Der von den Nationalsozialisten geprägte Begriff „Endlösung der Judenfrage“ bezeichnete den vorsätzlichen und systematischen Massenmord an den europäischen Juden. Dies war die letzte Phase des Holocaust, die von 1941 bis 1945 stattfand. Obwohl unzählige Juden bereits vor Beginn der „Endlösung“ ermordet worden waren, kam die überwiegende Mehrheit der jüdischen Opfer in dieser Zeit zu Tode.

Junge Mädchen posieren auf einer Wiese in der Stadt Eisiskes

Im Rahmen der „Endlösung“ beging das NS-Regime Massenmorde in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Diese fanden im Wesentlichen auf zwei Arten statt. Eine waren die Massenerschießungen. In ganz Osteuropa wurden in den Randgebieten von Dörfern, Städten und Gemeinden Massenerschießungen durch deutsche Einheiten ausgeführt. Die andere Methode war die Erstickung durch Giftgas. Vergasungen wurden in Tötungszentren und in mobilen Gaswagen durchgeführt. 

Massenerschießungen

Das NS-Regime führte Massenerschießungen von Zivilisten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß durch. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 begannen die deutschen Einheiten dort mit der Massenerschießung ortsansässiger Juden. Die Opfer waren zunächst jüdische Männer im wehrfähigen Alter. Doch schon im August 1941 wurden ganze jüdische Gemeinden hingerichtet. Diese Massaker fanden häufig am helllichten Tag und in Sicht- und Hörweite der Anwohner statt. 

Massenerschießungen fanden in mehr als 1.500 Städten, Gemeinden und Dörfern in ganz Osteuropa statt. Deutsche Einheiten, die mit der Ermordung der örtlichen jüdischen Bevölkerung beauftragt waren, durchkämmten die Gebiete und verübten grausame Massaker. In der Regel drangen die Einheiten in einen Ort ein und trieben die jüdische Zivilbevölkerung zusammen. Anschließend brachten sie die Menschen an den Stadtrand, wo sie entweder selbst ein Massengrab ausheben mussten oder sie wurden zu einem bereits vorbereiteten Massengrab getrieben. Schließlich wurden alle Männer, Frauen und Kinder von den Deutschen bzw. von lokalen Hilfstruppen erschossen, sodass sie in diese Gruben hineinfielen. Bei den Massakern wurden manchmal auch mobile Gaswagen eingesetzt. In eigens zu dem Zweck umgebauten Lieferwagen wurden die Opfer durch Einleitung von Kohlenmonoxidabgasen erstickt.

Massenerschießungen wurden auch in zahlreichen Vernichtungslagern im besetzten Osteuropa durchgeführt. Diese befanden sich in der Regel in der Nähe größerer Städte. Zu diesen Stätten gehörten Fort IX in Kaunas, die Wälder von Rumbula und Bikernieki bei Riga sowie Maly Trostinez bei Minsk. Dort ermordeten die Nationalsozialisten und einheimische Kollaborateure Zehntausende von Juden aus den Ghettos von Kaunas, Riga und Minsk. Auch Zehntausende von deutschen, österreichischen und tschechischen Juden wurden dorthin deportiert und erschossen. In Maly Trostinez wurden Tausende von Opfern in Gaswagen erstickt.

Zu den deutschen Einheiten, die Massenerschießungen in Osteuropa verübten, gehörten die Einsatzgruppen (Sondereinsatzkommandos der SS und der Polizei), Bataillone der Ordnungspolizei sowie Einheiten der Waffen-SS. Die deutsche Wehrmacht leistete dabei vorwiegend logistische und personelle Unterstützung. Einige Wehrmachteinheiten verübten aber auch selbst Massaker. Vielerorts waren örtliche Hilfstruppen, die mit der SS und der Polizei kooperierten, an den Massenerschießungen beteiligt. Dabei handelte es sich um einheimische Zivilisten, Militärs und Polizeibeamte.

In den von den Sowjets an die Deutschen verlorenen Gebieten wurden zwei Millionen Juden durch Massenerschießung oder Vergasung in Gaswagen ermordet. 

Vernichtungslager

Foto von Dawid Samoszul

Ende 1941 begann das NS-Regime mit dem Bau eigens konzipierter Vernichtungslager in den von Deutschland besetzten Teilen Polens. Diese werden auch als Tötungszentren oder Todeslager bezeichnet. Das NS-Regime betrieb fünf solcher Vernichtungslager: Chelmno, Belzec, Sobibor, Treblinka und Auschwitz-Birkenau. Die Tötungszentren dienten einzig und allein dem Zweck, Juden effizient und massenhaft zu ermorden. Die Ermordung erfolgte in erster Linie durch Einleitung von Giftgas in abgedichtete Gaskammern oder Lastwagen. 

Mit Unterstützung ihrer Verbündeten und Kollaborateure deportierten die NS-Behörden Juden aus ganz Europa in die Vernichtungslager. Zur Verschleierung ihrer wahren Absichten bezeichneten sie die Transporte als „Umsiedlungsmaßnahmen“ oder „Evakuierungstransporte“. Der Großteil der Deportationen erfolgte in Zügen. Dazu nutzten die Behörden das ausgedehnte europäische Eisenbahnnetz, aber auch andere Transportmittel. In vielen Fällen handelte es sich um Vieh- oder Güterwaggons, manchmal auch um Personenzüge. 

Die Bedingungen während der Deportationen waren grauenhaft. Juden jeden Alters wurden von den Deutschen und kollaborierenden lokalen Behörden in völlig überfüllte Waggons gepfercht. Oft mussten sie stehen, manchmal tagelang, bis der Zug sein Ziel erreichte. Es fehlte ihnen nicht nur an Nahrung und Wasser, auch Sanitäranlagen, Heizung und medizinische Versorgung wurde ihnen vorenthalten. Viele Juden starben bereits unterwegs infolge der unmenschlichen Bedingungen.

Der Großteil der in die Vernichtungslager deportierten Juden wurde nahezu unmittelbar nach der Ankunft vergast. Einige Juden, welche die Aufseher für gesund und kräftig genug hielten, wurden zur Zwangsarbeit eingeteilt. 

Meine Mutter lief zu mir hinüber und packte mich an den Schultern, und sagte: „Leibele, ich werde dich nicht wiedersehen. Pass gut auf deinen Bruder auf.“ 
Leo Schneiderman beschreibt die Ankunft in Auschwitz, die Selektion und Trennung von seiner Familie.

In allen fünf Vernichtungslagern wurden jüdische Häftlinge gezwungen, bei diesem mörderischen Geschehen mitzuwirken. Sie hatten unter anderem die Aufgabe, die Habseligkeiten der Opfer zu sortieren und die Leichen aus den Gaskammern zu entfernen. Spezialeinheiten entsorgten anschließend Millionen von Leichen in Massengräbern, Verbrennungsgruben oder durch Verbrennung in riesigen, speziell dafür gebauten Krematorien.

Fast 2,7 Millionen jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden in den fünf Vernichtungslagern ermordet. 

Was waren Ghettos und warum haben die NS-Behörden sie während des Holocaust errichtet? 

Ghettos waren von den Nationalsozialisten abgeriegelte Stadtbezirke, in denen Juden auf engstem Raum und unter unhygienischen Bedingungen leben mussten. Oft wurden Mauern oder andere Barrieren um die Ghettos herum errichtet. Wachposten sorgten dafür, dass niemand ohne Erlaubnis das Ghetto verließ. Einige Ghettos existierten jahrelang, andere wiederum nur für Monate, Wochen oder sogar nur Tage, nämlich dann, wenn sie als Auffanglager vor der Deportation oder Ermordung dienten. 

Die ersten Ghettos wurden von den Nationalsozialisten 1939-1940 in dem von Deutschland besetzten Teil Polens errichtet. Die beiden größten befanden sich in den besetzten polnischen Städten Warschau und Lodz. Ab Juni 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, richteten die NS-Behörden weitere Ghettos in den neu eroberten Gebieten Osteuropas ein. Auch in anderen Teilen Europas richteten die NS-Behörden, ihre Verbündeten und Kollaborateure Ghettos ein. 1944 richteten deutsche und ungarische Behörden vorübergehend Ghettos ein, um die Juden vor ihrer Deportation aus Ungarn konzentrieren und kontrollieren zu können. 

Zweck der Ghettos

Die NS-Behörden richteten die Ghettos ursprünglich ein, um die große lokale jüdische Bevölkerung im besetzten Osteuropa zu isolieren und zu kontrollieren. Anfangs wurden dort nur die jüdischen Einwohner einer Stadt, Umgebung oder Region eingepfercht. Ab 1941 deportierten die Nationalsozialisten jedoch auch Juden aus anderen Teilen Europas (einschließlich Deutschland) in einige dieser Ghettos. 

Zwangsarbeit war ein zentraler Bestandteil des Lebens in vielen Ghettos. In der Theorie sollten damit die Ghettoverwaltung finanziert und die deutschen Kriegsanstrengungen unterstützt werden. Manchmal wurden in der Nähe Fabriken und Werkstätten eingerichtet, in denen die Inhaftierten ausgebeutet wurden. Die Arbeit war strapaziös und musste oft von Hand verrichtet werden. 

Leben im Ghetto

Umzug in das Krakauer Ghetto

Das Leben in den Ghettos war erbärmlich und gefährlich. Es gab wenig zu essen, nur begrenzt sanitäre Einrichtungen und kaum medizinische Versorgung. Hunderttausende von Menschen starben an Hunger, grassierenden Krankheiten, infolge der extremen Temperaturen oder an Erschöpfung bedingt durch die Zwangsarbeit. Die deutschen Besatzer ermordeten zudem zahlreiche Juden in den Ghettos durch brutale Schläge, Folter, willkürliche Erschießungen und andere Formen willkürlicher Gewalt. 

Die Juden in den Ghettos versuchten, sich ein Gefühl von Würde und Gemeinschaft zu bewahren. Schulen, Bibliotheken, kommunale Wohlfahrtsdienste und religiöse Einrichtungen sorgten für ein gewisses Maß an Zusammenhalt unter den Bewohnern. Die Gefangenen haben immer wieder versucht, das Leben in den Ghettos zu dokumentieren. Das Oneg Shabbat-Archiv und heimliche Fotoaufnahmen sind herausragende Beispiele für den spirituellen Widerstand. In vielen Ghettos gab es auch Untergrundbewegungen, die bewaffneten Widerstand leisteten. Am bekanntesten ist der Aufstand im Warschauer Ghetto im Jahr 1943. 

Auflösung der Ghettos

Von 1941 bis 1942 ermordeten die Deutschen und ihre Verbündeten und Kollaborateure massenhaft die Bewohner der Ghettos und lösten die Verwaltungsstrukturen der Ghettos auf. Sie bezeichneten dies als „Liquidierung“. Sie war Teil der „Endlösung der Judenfrage“. Die meisten Juden in den Ghettos wurden entweder durch Massenerschießungen in nahe gelegenen Tötungsstätten oder nach der Deportation in eines der Vernichtungslager ermordet. Die meisten Vernichtungslager im besetzten Polen wurden bewusst in der Nähe der großen Ghettos oder an leicht zugänglichen Bahnstrecken eingerichtet. 

Wer war für die Umsetzung des Holocaust und der „Endlösung“ verantwortlich?

Viele Menschen waren für die Durchführung des Holocaust und der „Endlösung“ verantwortlich. 

An oberster Stelle hat Adolf Hitler den Völkermord an den europäischen Juden initiiert, angeordnet, genehmigt und unterstützt. Hitler hat jedoch nicht allein gehandelt. Auch legte er keinen genauen Plan für die Umsetzung der „Endlösung“ vor. Der Massenmord wurde tatsächlich unmittelbar von anderen NS-Funktionsträgern koordiniert, geplant und durchgeführt. Zu ihnen gehörten Hermann Göring, Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich und Adolf Eichmann. 

Millionen von Deutschen und anderen Europäern waren jedoch ebenfalls am Holocaust beteiligt. Ohne ihr Mitwirken wäre der Völkermord an den Juden in Europa nicht möglich gewesen. Die NS-Führung konnte sich auf die Unterstützung deutscher Einrichtungen und Organisationen, der Achsenmächte, lokaler Bürokratien und Institutionen sowie von Einzelpersonen verlassen. 

Deutsche Einrichtungen, Organisationen und Einzelpersonen

Adolf Hitler spricht auf einer SA-Kundgebung

Die NS-Führung konnte sich bei der Durchführung des Holocaust auf zahlreiche deutsche Einrichtungen und Organisationen verlassen. Die Mitglieder der NS-Organisationen initiierten und führten vor und während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche antijüdische Maßnahmen durch. Zu diesen Organisationen gehörten die NSDAP, die SA (Sturmabteilung) und die SS (Schutzstaffel). Mit Beginn des Kriegs nahm das Morden seitens der SS und den ihr angeschlossenen Polizeieinheiten zu. Insbesondere die Mitglieder von Sicherheitsdienst (SD), Gestapo, Kriminalpolizei und Ordnungspolizei waren aktiv am Massenmord an den europäischen Juden beteiligt. Zu den weiteren Einrichtungen in Deutschland, die an der Umsetzung der „Endlösung“ beteiligt waren, gehörten neben der Wehrmacht auch die Reichsbahn, das Gesundheitswesen, der öffentliche Dienst, die Strafjustiz sowie Unternehmen, Versicherungen und Banken. 

Insofern entschieden sich zahllose Soldaten, Polizisten, Beamte, Rechtsanwälte, Richter, Geschäftsleute, Ingenieure, Ärzte und Krankenschwestern für die Umsetzung der Regimepolitik. Auch ganz normale Bürger waren auf unterschiedliche Art und Weise am Holocaust beteiligt. Einige Deutsche jubelten, als Juden geschlagen oder gedemütigt wurden. Andere denunzierten Juden wegen der Missachtung der Rassengesetze und einschlägiger Vorschriften. Viele Deutsche kauften, entwendeten oder plünderten das Eigentum und den Besitz ihrer jüdischen Nachbarn. Die Mitwirkung der deutschen Zivilbevölkerung am Holocaust war unter anderem durch Begeisterung, Karrierestreben, Angst, Habgier, Eigeninteresse, Antisemitismus oder politische Ideale motiviert. 

Regierungen und Einrichtungen außerhalb Deutschlands

Das NS-Regime hat den Holocaust nicht allein verübt. Es erhielt Unterstützung durch Verbündete und Kollaborateure. In diesem Zusammenhang bezieht sich der Begriff „Verbündete“ auf die offiziell mit dem Dritten Reich verbündeten Achsenmächte. „Kollaborateure“ bezeichnet Regime und Organisationen, die offiziell oder halboffiziell mit den deutschen Behörden zusammenarbeiteten. Zu den Verbündeten und Kollaborateuren des nationalsozialistischen Regimes zählten:

  • Die europäischen Achsenmächte und andere kollaborierende Regime (z. B. das Vichy-Regime). Diese Regierungen verabschiedeten eigene antisemitische Gesetze und unterstützten deutsche Ziele.
  • Von Deutschland unterstützte lokale Bürokratien, insbesondere Polizeikräfte. Diese Organisationen halfen dabei, Juden festzunehmen, zu internieren und zu deportieren, auch in Ländern, die nicht mit Deutschland verbündet waren, etwa in den Niederlanden.
  • Lokale Hilfstruppen aus Militärs, Polizeibeamten und Zivilisten. Diese von Deutschland unterstützten Einheiten beteiligten sich (oft freiwillig) an den Judenmassakern in Osteuropa. 

Die Begriffe „Verbündete“ und „Kollaborateure“ können sich auch auf Personen beziehen, die Teil dieser Regierungen und Organisationen waren.

Privatpersonen in ganz Europa 

In ganz Europa wirkten auch Privatleute am Holocaust mit, die keiner Regierung oder Einrichtung angehörten und nicht direkt an der Ermordung der Juden beteiligt waren. 

Eines der fatalsten Dinge, die Nachbarn, Bekannte, Kollegen und sogar Freunde tun konnten, war es, Juden bei den NS-Behörden zu denunzieren. Viele haben das getan. Sie verrieten Verstecke, deckten falsche christliche Identitäten auf und meldeten Juden bei den Behörden. Dadurch haben sie deren Tod herbeigeführt. Die Beweggründe dieser Menschen waren vielfältig: Angst, Eigeninteresse, Gier und Rache, aber auch Antisemitismus sowie andere politische und ideologische Überzeugungen.

Privatpersonen haben aber auch vom Holocaust profitiert. So zogen Nichtjuden manchmal in die Wohnungen deportierter Juden ein, übernahmen Firmen, die zuvor jüdische Besitzer hatten oder sie stahlen den Besitz und Wertgegenstände ihrer jüdischen Nachbarn. Diebstähle und Plünderungen waren an der Tagesordnung und waren eine verbreitete Begleiterscheinung des Völkermords. 

In den meisten Fällen trugen Einzelne insofern zum Holocaust bei, als sie angesichts der Notlage ihrer jüdischen Nachbarn passiv, untätig und gleichgültig waren und einfach zusahen.

Wer waren die weiteren Opfer von nationalsozialistischer Verfolgung und Massenmord?

Unter dem Holocaust versteht man konkret die systematische, staatlich organisierte Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden. Es gab jedoch Millionen weiterer Opfer, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. In den 1930er Jahren richtete sich das Regime gegen eine Vielzahl vermeintlicher Feinde innerhalb der eigenen Gesellschaft. Nachdem es den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs gelang, ihren Machtbereich auszudehnen, waren auch unzählige andere Europäer ihrer Brutalität ausgesetzt. 

Als ärgster Feind der Nationalsozialisten galten die Juden. Aber auch andere Personengruppen wurden als Bedrohung für die Gesundheit, Einheit und Sicherheit des deutschen Volkes wahrgenommen. Politische Gegner gehörten zu den ersten, die vom NS-Regime ins Visier genommen wurden. Darunter waren zahlreiche Funktionäre und Mitglieder anderer politischer Parteien sowie aktive Gewerkschafter. Als politische Gegner galten aber auch Personen, denen man lediglich unterstellte, gegen das NS-Regime zu sein oder es zu kritisieren. Politische Gegner waren die ersten, die in Konzentrationslagern inhaftiert wurden. Auch die Zeugen Jehovas wurden in Haftanstalten und Konzentrationslagern interniert. Sie wurden verhaftet, weil sie sich aus Glaubensgründen weigerten, den Treueeid auf die Regierung zu schwören oder in der Wehrmacht zu dienen.

Das Regime verfolgte ebenfalls Deutsche, deren Lebensweise oder Handlungen es als schädlich für die Gesellschaft erachtete. Dazu gehörten Männer, die der Homosexualität beschuldigt wurden, Kleinkriminelle und Berufsverbrecher und so genannte Asoziale (Landstreicher, Bettler, Prostituierte, Zuhälter und Alkoholiker). Zehntausende von ihnen wurden in Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert. Afrodeutsche wurden zwangssterilisiert und verfolgt. 

Auch Menschen mit Behinderungen fielen dem NS-Regime zum Opfer. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurden Deutsche mit vermeintlich ungesundem Erbgut zwangssterilisiert. Mit Beginn des Kriegs wurde die NS-Politik noch radikaler. Menschen mit Behinderungen, vor allem, wenn sie in Heimen untergebracht waren, galten als genetische und finanzielle Belastung. Sie wurden im Rahmen des so genannten „Euthanasieprogramms“ gezielt ermordet.

Deutsche Soldaten führen polnische Geiseln mit verbundenen Augen zu einem Hinrichtungsort

Das NS-Regime ging mit extremer Härte gegen alle Gruppen vor, die es als rassische, zivilisatorische oder ideologische Feinde betrachtete. Dazu gehörten Sinti und Roma, Polen (insbesondere polnische Intellektuelle und Eliten), sowjetische Beamte und sowjetische Kriegsgefangene. Die Nationalsozialisten verübten Massenmord an all diesen Gruppen.

Wie endete der Holocaust? 

Der Holocaust endete im Mai 1945 mit dem Sieg der alliierten Hauptmächte (Großbritannien, die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion) über Deutschland, der das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete. Als die alliierten Streitkräfte in einer Reihe von Offensiven durch Europa zogen, stießen sie auf die Konzentrationslager. Sie befreiten die überlebenden Häftlinge, darunter viele Juden. Auch Überlebende der so genannten Todesmärsche wurden befreit. In der Schlussphase des Krieges hatten SS-Wachmannschaften versucht, die Lager zu räumen und trieben die jüdischen und nichtjüdischen Häftlinge zu Fuß an diverse andere Orte. 

Doch die Befreiung bedeutete nicht das Ende allen Leids. Viele Überlebende des Holocaust waren bei ihrem Versuch, sich ein neues Leben aufzubauen, der ständigen Bedrohung durch gewaltsamen Antisemitismus und Vertreibung ausgesetzt. Viele hatten ihre Familien verloren, andere suchten jahrelang nach vermissten Eltern, Kindern und Geschwistern.

Wie haben einige Juden den Holocaust überlebt? 

Trotz der Bemühungen der Nationalsozialisten, alle Juden Europas zu ermorden, überlebten einige den Holocaust. Wie dies im Einzelfall gelang, war recht unterschiedlich. In jedem Fall aber war das Überleben oft reine Glückssache und nur durch das Zusammenwirken günstiger Umstände, durch richtige Entscheidungen in kritischen Momenten und die Hilfe anderer Menschen möglich. 

Überleben außerhalb des von Deutschland kontrollierten Europas 

Einige Juden überlebten den Holocaust, indem sie aus dem von Deutschland kontrollierten Bereich Europas flohen. Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs emigrierten Hunderttausende von Juden, trotz erheblicher Einwanderungshindernisse in anderen Ländern, aus Deutschland. Diejenigen, denen es gelang, in die USA, nach Großbritannien und in andere Länder  auszuwandern, die nie unter Kontrolle Deutschlands fielen, waren vor der Gewalt der Nationalsozialisten sicher. Auch nach Beginn des Zweiten Weltkriegs gelang einigen Juden die Flucht aus dem von Deutschland kontrollierten Europa. So flohen etwa 200.000 polnische Juden vor der deutschen Besatzung Polens. Sie überlebten den Krieg unter harten Bedingungen, nachdem die sowjetischen Behörden sie weiter nach Osten ins Innere der Sowjetunion deportiert hatten.

Überleben im von Deutschland kontrollierten Europa

Innerhalb des von Deutschland kontrollierten Europas überlebte eine geringere Zahl von Juden. Dies gelang oft nur mit der Unterstützung Dritter. Die Rettungsaktionen reichten von isolierten Aktionen einzelner Personen bis hin zu organisierten Netzwerken, sowohl im kleinen als auch im großen Maßstab. Überall in Europa gab es Nichtjuden, die große Risiken auf sich nahmen, um ihren jüdischen Nachbarn, Freunden und Fremden das Überleben zu sichern. Sie boten ihnen beispielsweise Verstecke, beschafften falsche Papiere, die sie als Christen auswiesen, oder versorgten sie mit Lebensmitteln und Kleidung. Andere Juden überlebten als Mitglieder von Partisanen-Widerstandsbewegungen. Und einigen Juden gelang es trotz widrigster Umstände, die Haft in Konzentrationslagern, Ghettos und sogar in Vernichtungslagern zu überleben. 

Folgezeit

Zwar endete der Holocaust mit dem Ende des Kriegs, jedoch sind Terror und Völkermord bis heute unser Vermächtnis. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren sechs Millionen Juden und Millionen anderer Menschen tot. Das NS-Regime hatte gemeinsam mit seinen Verbündeten und Kollaborateuren Tausende jüdischer Gemeinden in ganz Europa verwüstet oder vollständig zerstört. 

In der Zeit nach dem Holocaust waren viele Überlebende traumatisiert und hatten schwer mit der Realität zu kämpfen. Nicht selten hatten sie ganze Familien und Gemeinden verloren. Einige konnten nach Hause zurückkehren und beschlossen, sich ein neues Leben in Europa aufzubauen. Anderen fehlte aufgrund von Gewalt und Antisemitismus auch nach Kriegsende der Mut dazu. In der unmittelbaren Nachkriegszeit lebten diejenigen, die nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten oder wollten, häufig in Lagern für sogenannte Displaced Persons (DP). Dort mussten viele von ihnen jahrelang ausharren, bevor sie sich in eine neue Heimat aufmachen konnten.

Nach dem Holocaust hat man sich auf der ganzen Welt darum bemüht, die Schrecken des Völkermords zu verarbeiten, der Opfer zu gedenken und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Diese wichtigen Bemühungen dauern bis heute an.