Die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg führte 1918 zum Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreichs und trug zum Entstehen einer Revolution bei. Die neue deutsche Regierung wurde die Weimarer Republik genannt und war eine parlamentarische Demokratie. Das bedeutete, dass die Verfassung Gleichheit vor dem Gesetz festschrieb. Sie garantierte zudem bürgerliche Freiheiten wie Rede-, Presse-, Religions- und Versammlungsfreiheit. Außerdem wurde das allgemeine Wahlrecht eingeführt: Erwachsene Bürger, Männer und Frauen, besaßen nun das Wahlrecht. In der neuen Regierung spielten die politischen Parteien eine weitaus größere Rolle als je zuvor.

Polizeigewalt als Politikum

Die Polizeiarbeit wurde in der Weimarer Republik zu einem wichtigen politischen Thema. Die politischen Parteien wetteiferten um den Einfluss auf die deutsche Polizei. Diejenigen Parteien, welche die Weimarer Republik und die parlamentarische Demokratie unterstützten, wollten die Polizei als demokratische Institution umgestalten. Die rechtsnationalen Parteien hingegen, welche die Demokratie ablehnten, forderten eine militarisierte Polizei. Ihrer Ansicht nach sollte die Polizei Deutschland gegen linke Revolutionäre verteidigen, insbesondere gegen die neue Kommunistische Partei des Landes.

Die deutschen Polizeikräfte waren zu dieser Zeit dezentralisiert. Die Polizei war somit den Landes- und Stadtregierungen unterstellt. Infolgedessen gab es im ganzen Land unterschiedliche politische Konflikte um die Polizeiarbeit.

Eines der besten Beispiele dafür, wie die Politik die Polizeiarbeit beeinflusste, ist der Fall Preußen. Preußen spielte eine wichtige Rolle in der politischen Landschaft Deutschlands, auch auf dem Gebiet der Polizei. Mit der Hauptstadt Berlin war Preußen das größte und bevölkerungsreichste Land innerhalb des Deutschen Reiches. Es machte mehr als 60 Prozent des deutschen Territoriums und der Bevölkerung aus. Die preußische Polizei verfügte über 85.000 Beamte. Das waren mehr als 50 Prozent aller Polizisten in Deutschland.

Vor der Revolution von 1918 war Preußen als Hochburg des Autoritarismus bekannt, wo die politischen Freiheiten eingeschränkt waren. Doch während der Weimarer Republik wurde Preußen ein Hort der Demokratie. Eine politische Koalition unter der Führung der Sozialdemokratischen Partei kontrollierte die preußische Landesregierung und damit auch die landeseigenen Polizeikräfte.

Die Sozialdemokratische Partei war gemäßigt, pro-demokratisch und links orientiert. Die Partei fand viel Unterstützung bei der industriellen Arbeiterklasse in Deutschland. Sozialdemokratische Polizeichefs versuchten, die Polizei von Vollstreckern des Autoritarismus zu Dienern des Volkes zu machen. Sie modernisierten die Polizeitechnik und verbesserten die Ausbildung. Mit Öffentlichkeitskampagnen und Veranstaltungen wurde versucht, das Image der Polizei zu verbessern.

Polizeiarbeit in einer jungen Demokratie, 1918-1923

Die ersten Jahre der Weimarer Republik waren chaotisch. Deutsche Soldaten kehrten aus dem Ersten Weltkrieg mit Waffen und einer neuen Gewalterfahrung nach Hause zurück. Die Entbehrungen des Krieges und die Wirtschaftspolitik der Nachkriegszeit verursachten wirtschaftliche Not. Dies trieb viele Menschen zum Betteln, zu Plünderungen, Diebstählen und Krawallen. Die Bürger forderten bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Streiks und Demonstrationen wurden in ganz Deutschland alltäglich. Auch die Polizei litt unter den schlechten wirtschaftlichen Bedingungen.

Neue politische Bewegungen versuchten, die Missstände in der Bevölkerung zu kanalisieren. Radikale linke und rechte Bewegungen mobilisierten Menschenmengen, die sich auf den Straßen versammelten. Einige dieser politischen Gruppen versuchten, die Regierung gewaltsam zu stürzen und die Macht zu ergreifen. Die Verantwortung dafür, die Regierung dagegen zu schützen, lag bei der Polizei. Die Polizei sollte die öffentliche Unordnung beenden und Kriminelle verhaften, jedoch war sie der Situation nicht gewachsen. Die Regierung entschied sich stattdessen, sich auf andere Kräfte zu verlassen. Sie wandte sich an das deutsche Militär und rechtsgerichtete paramilitärische Einheiten. Letztere waren nicht-staatliche Organisationen, deren Mitglieder bewaffnet und uniformiert waren.

Die Polizeiarbeit während der „Goldenen Zwanziger”, 1924-1929

Bis 1924 stabilisierte sich die Wirtschaft und die politischen Unruhen ließen weitgehend nach. Auch die Kriminalität begann zu sinken. Der folgende Zeitraum wurde als die „Goldenen Zwanziger der Weimarer Republik bekannt. Deutschland erlebte eine kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit, besonders in Berlin.

Die Polizei stand jedoch weiterhin vor ungewohnten Herausforderungen. Im Kaiserreich war das Versammlungs- und Demonstrationsrecht der Bürger eingeschränkt worden. Auch die Zensur hatte die Polizei vor öffentlicher Kritik geschützt. Doch in der Weimarer Republik konnten die Bürger nun viel freier demonstrieren und sprechen. Laut Gesetz durfte die Polizei sie nicht daran hindern, ihre Meinung öffentlich zu äußern. Die politischen Parteien nutzten diese Veränderungen aus, indem sie regelmäßig Aufmärsche und Kundgebungen organisierten. Selbst wenn diese Veranstaltungen friedlich verliefen, erforderten sie eine erhebliche Polizeipräsenz zur Kontrolle der Menschenmengen.

Die Krisenjahre, 1930-1933

Adolf Hitler spricht auf einer SA-Kundgebung

Ab Ende 1929 brachte die Weltwirtschaftskrise den wirtschaftlichen Wohlstand und die politische Stabilität zu einem jähen Ende. Die Regierung war nicht mehr funktionsfähig. Die Zahl der Arbeitslosen wuchs. Betteln und Brotschlangen wurden zum vertrauten Anblick auf den städtischen Straßen. Die Kriminalitätsrate stieg wieder an. Außerdem florierten kriminelle Banden, die in Prostitution, Rauschgifthandel, Glücksspiel, Pornografie, Raub und Einbrüche verwickelt waren.

Die Polizei versuchte, auf den damit einhergehenden Anstieg der Eigentumskriminalität zu reagieren. Doch sie konnte nichts tun, um die wirtschaftlichen Probleme an ihrer Wurzel zu beheben. Manchmal schienen die Bemühungen der Polizei vergeblich. So berichtete die Boulevardpresse gerne über Verbrechen und Kriminelle. Die Öffentlichkeit kritisierte und verhöhnte die Polizei für ihre Erfolglosigkeit.

Der wirtschaftliche Niedergang machte radikale politische Ideen, wie den Nazismus und den Kommunismus, für viele desillusionierte Deutsche noch ansprechender. Für den größten Teil der 1920er Jahre war die NSDAP eine ziemlich unbedeutende Organisation. Doch die Weltwirtschaftskrise veränderte die deutsche Politik. So hatte die NSDAP beispielsweise bei den Reichstagswahlen von 1928 weniger als 3 Prozent der Stimmen gewonnen. Im September 1930 jedoch gewann sie überraschend hohe 18 Prozent. Die NSDAP war somit plötzlich eine wichtige nationale politische Partei. Ihr ideologischer Hauptgegner, die Deutsche Kommunistische Partei, wuchs in dieser Zeit ebenfalls.

Sowohl Nationalsozialisten als auch Kommunisten lehnten die parlamentarische Demokratie ab. Infolgedessen war ihre Anwesenheit im Parlament störend, da sie die Regierung vorsätzlich an der Arbeit hinderten. Beide Parteien waren auch auf den deutschen Straßen sichtbar präsent. Sie bekämpften sich gegenseitig und auch die Polizei. Politische Kundgebungen, Demonstrationen und Aufmärsche prägten die politische Atmosphäre. Die Polizei war dafür verantwortlich, dass diese Veranstaltungen geordnet und sicher verliefen.

Politisch motivierte Straßenschlachten wurden zu einem regelmäßigen Bestandteil des deutschen Alltgslebens. Die paramilitärischen Organisationen der Parteien lieferten sich Straßenkämpfe. Hunderte von Deutschen starben bei den Ausschreitungen. Die paramilitärische Organisation der NSDAP war die SA (Sturmabteilung) und war besonders berüchtigt. Die SA-Männer beschränkten ihre Angriffe nicht auf politische Gegner. Sie verwüsteten zum Beispiel Geschäfte, die sie für jüdisch hielten. Sie griffen auch unbewaffnete Juden auf der Straße an. Häufig setzte die SA auch Sprengstoff und Tränengas ein.

Die Polizei war nicht in der Lage, die paramilitärischen Gruppen effektiv zu kontrollieren und die Übergriffe zu unterbinden. Diese Situation untergrub die Autorität der Polizei weiter.

Die Haltung der Polizei gegenüber der NS-Bewegung

In den Jahren der Weimarer Republik waren die meisten aktiven Polizisten keine Nazis. Sie gehörten weder der NSDAP noch anderen NS-Organisationen an. Viele Polizisten sahen sich als Amtsinhaber, deren persönliche Politik ihre Arbeit nicht beeinflussen durfte. In einigen Fällen schränkten die Vorschriften die politische Beteiligung für Polizisten ein. Dennoch gab es einige Polizisten, welche die NS-Bewegung unterstützten. Sie versorgten die Nazis zum Beispiel mit Informationen über bevorstehende Polizeirazzien und andere Maßnahmen.

Obwohl sie keine Mitglieder der rechtsextremen NSDAP waren, standen viele Polizisten in der Weimarer Republik eher den nationalistischen, rechtsgerichteten politischen Parteien nahe. Sie sympathisierten mit einigen nationalsozialistischen Ideen, insbesondere mit dem Antikommunismus. Außerdem lehnten sie die parlamentarische Demokratie und die Weimarer Republik ab. Sie hofften zudem auf eine Rückkehr zum Autoritarismus, da diese Regierungsform einen starken zentralisierten Staat mit sich bringen würde. Zudem würde sie die Polizeigewalt ausweiten und die parteipolitische Zersplitterung beenden. Die NSDAP versprach all dies und mehr.

Das Ende der Demokratie

Adolf Hitler wurde am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Viele Deutsche, darunter auch viele Polizisten, hofften, dass er die Probleme der Weimarer Republik lösen würde. Dies machte es den Polizisten leicht, das neue NS-Regime schließlich zu akzeptieren, wenn nicht sogar zu begrüßen.