Holocaust

Der Holocaust, also der vorsätzliche Massenmord an Millionen unschuldiger Zivilisten  ist ein Ereignis, das unser Verständnis der westlichen Zivilisation, des Nationalstaats, der modernen bürokratischen Gesellschaft und des menschlichen Wesens nachhaltig geprägt hat. Überzeugt von einer Rassenideologie, die Juden als „parasitäres Ungeziefer“ bezeichnete, das es „auszurotten“ galt, begangen die Nationalsozialisten einen Völkermord unübertroffenen Ausmaßes. Alle Juden Europas, ob krank oder gesund, arm oder reich, orthodox, zum Christentum bekehrt, junge und alte Menschen und sogar Kleinkinder, alle waren zur Vernichtung verurteilt.

Die Kinder der Familie Margules tragen den „Judenstern“. Die ursprünglich aus Warschau stammende Familie Margules ließ sich in den 1930er Jahren in Paris nieder.

Etwa zwei Drittel der Juden, die vor dem Krieg in Europa lebten, fielen dem Holocaust zum Opfer. Als der Zweite Weltkrieg 1945 endete, waren sechs Millionen europäische Juden tot, mehr als eine Million der Opfer waren Kinder. Aber selbst diese Statistik ist irreführend, denn die meisten Überlebenden lebten in Gebieten Europas, die während des Kriegs nicht von Deutschland besetzt waren: in den östlichen Gebieten der Sowjetunion, Großbritannien, Bulgarien sowie in neutralen Staaten wie Spanien, Portugal, die Schweiz und Schweden. Zehntausende von Juden überlebten auch in Teilen Europas, die von den Deutschen besetzt waren, meist in Verstecken oder in Konzentrationslagern, wo sie letztendlich befreit wurden. Bei der Verfolgung und Tötung von Juden in den von ihnen kontrollierten Gebieten Europas waren die Deutschen und ihre Kollaborateure unerbittlich.

Es wurde viel darüber geschrieben, was während der Zeit des Holocaust geschah und wo, wann und wie die Nationalsozialisten ihre mörderischen Pläne verwirklichten. Um die Taten der Nationalsozialisten im weitesten Sinne begreifen zu können, muss man sich zunächst mit den theoretischen Grundlagen befassen, die sie dazu veranlasst haben, sich diese Pläne überhaupt erst auszudenken. Die nähere Untersuchung der nationalsozialistischen Rassenideologie mag diesen unermüdlichen Einsatz bei der physischen Vernichtung der europäischen Juden ansatzweise erklären.

Die nationalsozialistische Rassenideologie

Adolf Hitler, der Führer der nationalsozialistischen Partei, formulierte und prägte die Grundsätze, die später als NS-Ideologie bekannt wurden. Er verstand sich als tiefgründigen und vorausschauenden Denker und war davon überzeugt, den Schlüssel zum Verständnis einer außerordentlich komplexen Welt gefunden zu haben.

Hitler war der Auffassung, dass die Charaktereigenschaften, Einstellungen, Fähigkeiten und das Verhalten einer Person durch ihre sogenannte rassische Zusammensetzung bestimmt wurden. Hitler zufolge trugen alle Gruppen, Rassen oder Völker (er benutzte diese Begriffe als Synonyme) bestimmte Züge in sich, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Kein Mensch konnte die Eigenheiten seiner Rasse überwinden. Ihm zufolge ließe sich die gesamte Menschheitsgeschichte als fortwährender Rassenkampf erklären.

Bei der Formulierung ihrer Rassenideologie griffen Hitler und die Nationalsozialisten auf die Gedanken der deutschen Sozialdarwinisten des späten 19. Jahrhunderts zurück. Wie die Sozialdarwinisten vor ihnen glaubten auch die Nationalsozialisten, dass jeder Mensch einer „Rasse“ zugeordnet werden könne. Dabei weise jede Rasse unverwechselbare Merkmale auf, die seit Menschheitsbeginn in prähistorischer Zeit genetisch weitergegeben worden seien. Diese vererbten Eigenschaften bezögen sich nicht nur auf das äußere Erscheinungsbild und die körperliche Struktur, sondern prägten auch Mentalität, Denkweise, kreative und organisatorische Fähigkeiten, Intelligenz, kulturellen Geschmack und kulturelle Wertschätzung, körperliche Stärke und militärische Fähigkeiten.

Die Nationalsozialisten übernahmen auch die sozialdarwinistische Betrachtungsweise der darwinistischen Evolutionstheorie, wonach letztendlich die am besten angepassten Lebewesen überlebten. Für die Nationalsozialisten hing das Überleben einer Rasse von ihrer Fähigkeit zur Fortpflanzung und Vermehrung ab, von ihrer Anhäufung von Land zur Unterstützung und Ernährung dieser wachsenden Population und von ihrer Wachsamkeit bei der Erhaltung der Reinheit ihres Genpools. Dadurch sollten die einzigartigen „rassischen“ Merkmale bewahrt werden, mit denen die „Natur“ sie für den Erfolg im Kampf ums Überleben gerüstet hatte. Da es das Bestreben jeder „Rasse“ war, sich zu verbreiten, der Raum auf der Erde jedoch endlich war, führte der Kampf ums Überleben „auf natürliche Weise“ zu gewaltsamer Eroberung und militärischer Konfrontation. Daher galt selbst anhaltender Krieg als Teil der Natur und Teil des menschlichen Daseins.

Um eine Rasse zu definieren, bedienten sich die Sozialdarwinisten positiver und negativer Stereotypen hinsichtlich Aussehen, Verhalten und Kultur einer ethnischen Gruppe. Diese Stereotype waren angeblich festgeschrieben und wurden biologisch vererbt. Sie blieben im Laufe der Zeit unverändert und waren immun gegenüber Veränderungen in der Umgebung, intellektuelle Weiterentwicklung oder Sozialisierung. Nach Auffassung der Nationalsozialisten war es für die Angehörigen einer Rasse nicht möglich, sich einer anderen Kultur oder ethnischen Gruppe anzupassen, da die ursprünglichen, vererbten Merkmale unveränderbar waren. Diese würden sich durch sogenannte „Rassenmischung“ nur verschlechtern.

Gegen wen richtete sich die Ideologie?

In der NS-Propaganda wurden Juden oft als Verschwörer dargestellt, deren Absicht es war, einen Krieg zu provozieren.

Die Nationalsozialisten definierten die Juden als „Rasse“. Sie betrachteten die jüdische Religion als irrelevant und führten eine Vielzahl negativer Stereotypen über Juden und „jüdisches“ Verhalten auf ein unveränderliches, biologisch bestimmtes Erbe zurück. Dieses brächte die „jüdische Rasse“ wie auch andere Rassen dazu, durch Expansion und auf Kosten anderer Rassen zu überleben.

Wenngleich Juden in der NS-Rassenideologie als größter „Feind“ galten, sah diese auch andere Gruppen für die Verfolgung, Inhaftierung und Vernichtung vor. Zu diesen Gruppen gehörten Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Polen, sowjetische Kriegsgefangene und Afrodeutsche. Auch politische Dissidenten, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und sogenannte Asoziale galten als Feinde und verkörperten Sicherheitsrisiken, entweder weil sie sich bewusst dem NS-Regime widersetzten, oder weil ihr Verhalten nicht mit den Vorstellungen der Nationalsozialisten von gesellschaftlichen Normen vereinbar war. Die Nationalsozialisten versuchten, inländische Nonkonformisten und „Rassenbedrohungen“ durch eine fortwährende Selbstbereinigung der deutschen Gesellschaft zu beseitigen.

Sie vertraten die Ansicht, dass „überlegene Rassen“ nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hätten, „minderwertige Rassen“ zu unterwerfen und sogar zu vernichten. Sie waren davon überzeugt, dass dieser Kampf der Rassen Naturgesetz sei. In der strategischen Vision der Nationalsozialisten war es Aufgabe der dominanten deutschen Rasse, untergeordnete Völker zu beherrschen, die von Geburt an als minderwertig galten. Als solche betrachteten sie insbesondere die Slawen und „Asiaten“ (womit sie Völker Sowjet-Zentralasiens und die muslimische Bevölkerung der Kaukasusregion meinten). Zu Propagandazwecken haben die Nationalsozialisten diese strategische Vision oft als Kreuzzug dargestellt. Sie sahen sich als Retter der westlichen Zivilisation vor den „östlichen“ oder „asiatischen“ Barbaren und ihren jüdischen Anführern und Organisatoren.

Rassisch definiertes Kollektiv

Für Hitler und führende Vertreter der NS-Bewegung bestand der höchste Wert eines Menschen nicht in seiner Individualität, sondern in seiner Zugehörigkeit zu einer rassisch definierten, kollektiven Gruppe. Der ultimative Zweck eines rassischen Kollektivs bestand darin, sein eigenes Überleben zu sichern. Die meisten dürften dem Gedanken zustimmen, dass der Mensch über einen individuellen Überlebenstrieb verfügt. Hitler ging jedoch davon aus, dass ein kollektiver Überlebenstrieb existierte, der auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einem Volk oder einer Rasse (er benutzte diese Begriffe als Synonyme) basierte. Für die Nationalsozialisten ging dieser kollektive Überlebensinstinkt stets auch mit dem Erhalt der Reinheit der „Rasse“ und dem Kampf mit konkurrierenden „Rassen“ um Gebiete einher.

Die Reinheit der Rasse zu erhalten, war Hitler und anderen zufolge deshalb so wichtig, da die Vermischung mit anderen Rassen im Laufe der Zeit zur „Bastardisierung“ und „Degeneration“ einer Rasse führen würde. Die Folge wäre, dass die Rasse ihre Unterscheidungsmerkmale und damit ihre Fähigkeit verlieren würde, sich effektiv zu verteidigen, sodass sie letztlich zum Aussterben verurteilt sein würde. Territorien waren für Hitler unverzichtbar, da diese, so betonte er stets, für die wachsende Bevölkerung der Rasse benötigt würden. Ohne neue Gebiete zur Unterbringung und Versorgung der wachsenden Bevölkerung glaubte Hitler, dass die Rasse letztendlich stagnieren und vom Aussterben bedroht sein könnte.

Die NS-Rassenideologie beinhaltete auch das Konzept einer qualitativen Hierarchie der Rassen, in der nicht alle Rassen gleichwertig waren. Hitler war davon überzeugt, dass die Deutschen Teil einer übergeordneten Rassengruppe waren, die er als „Arier“ bezeichnete. Die deutsche „arische“ Rasse war laut Hitler mehr als alle anderen mit einer biologischen Überlegenheit ausgestattet, welche die Deutschen geradezu dafür prädestinierte, ein riesiges Reich in Osteuropa zu regieren.

„Arische“ Rasse

Polnische Säuglinge, die aufgrund ihrer

Die deutsche „arische“ Rasse war jedoch, so warnte Hitler, von der Auflösung von innen und außen bedroht. Die innere Bedrohung lauere in Mischehen zwischen „arischen“ Deutschen und Angehörigen „inhärent minderwertiger Rassen“: Juden, Sinti und Roma, Afrikaner und Slawen. Die Nachkommen dieser Ehen würden angeblich die im deutschen Blut verankerten, überlegenen Eigenschaften verwässern und die Rasse im Überlebenskampf gegen andere Rassen schwächen.

Der deutsche Staat nach dem Ersten Weltkrieg schwächte die deutsche „arische“ Rasse nach NS-Auffassung zusätzlich, indem er die Fortpflanzung von Menschen tolerierte, die von den Nationalsozialisten als „genetisch entartet“ und als „schädlich für die Rassenhygiene“ insgesamt angesehen wurden. Dazu gehörten Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, Kleinkriminelle und Berufsverbrecher und alle, die sich nach NS-Auffassung zwanghaft sozial „abweichend verhielten“, wie Obdachlose, angeblich sexuell freizügige Frauen, arbeitsunfähige Menschen, Alkoholiker usw.

Der deutschen „arischen“ Rasse drohte außerdem die Auflösung von außen. Laut Hitler verlor die Weimarer Republik den Wettbewerb um Land und Bevölkerung an die „unterlegenen“ Rassen der Slawen und „Asiaten“. In diesem Wettbewerb hätte die „jüdische Rasse“ ihr traditionelles sozialistisches Werkzeug – den sowjetischen Kommunismus – weiter verfeinert. Damit wollten sie, so Hitlers Auffassung, die ansonsten unfähigen Slawen mobilisieren und die Deutschen glauben machen, dass das künstliche Mittel des Klassenkonflikts den natürlichen Instinkt des Rassenkampfes aushebele. Hitler glaubte, dass der Mangel an Wohnraum die Geburtenrate unter den Deutschen auf ein gefährlich niedriges Niveau drosselte. Hinzu kam, dass Deutschland den Ersten Weltkrieg verloren hatte und durch den Vertrag von Versailles gezwungen war, riesige Flächen wertvollen Landes an seine Nachbarn abzutreten.

Damit Deutschland überleben könne, so Hitler, müssten die Umlagerung des Landes durch den Feind durchbrochen und große Gebiete im Osten von den Slawen erobert werden. Die Eroberung des Ostens würde Deutschland den notwendigen Raum geben, um seine Bevölkerung enorm zu vergrößern, und mit den erforderlichen Ressourcen versorgen, um diese Bevölkerung zu ernähren. Ebenso würde es das Land in die Lage versetzen, sein biologisches Schicksal in die Hand zu nehmen, nämlich sich als „Herrenrasse“ zu etablieren mit angemessenem Weltmachtstatus zu etablieren. 

Eliminierung von Rassenfeinden

Foto von Kitty Weichherz vor dem zweiten Weltkrieg

Hitler und seine Partei stellten ihre rassischen Feinde mit klaren und unmissverständlichen Begriffen dar. Für Hitler und die Nationalsozialisten galten die Juden als vorrangiger Feind innerhalb und außerhalb Deutschlands. Ihre angeblich rassische und minderwertige genetische Ausstattung hätte die ausbeuterischen Systeme des Kapitalismus und Kommunismus hervorgebracht. In ihrem Expansionsdrang förderten und nutzten die Juden diese Regierungs- und Staatssysteme, um das Rassenbewusstsein höherer Rassen wie der deutschen zu untergraben. Dazu bezögen sie sich unter anderem auf Verfassungen und proklamierten Gleichberechtigung und Weltfrieden. Sie verdünnten „überlegenes Blut“ durch Assimilation und Mischehen.

Die Nationalsozialisten behaupteten, dass Juden in ihrer Macht stehende Instrumente benutzten, um ihre biologische Ausbreitung zur Weltmacht voranzutreiben. Zu diesen Instrumenten gehörten angeblich die Medien, die parlamentarische Demokratie mit ihrem Fokus auf die Rechte des Einzelnen sowie internationale Organisationen, die sich für eine friedliche Beilegung nationaler Konflikte einsetzten. Wenn Deutschland nicht entschlossen gegen die Juden im In- und Ausland vorginge, so Hitler, würden Horden von „Untermenschen“, „unzivilisierte Slawen und Asiaten“, die von den Juden mobilisiert werden könnten, die „arische“ deutsche Rasse wegfegen.

Für Hitler war das Eingreifen der Regierung in die Rassentrennung, in die Förderung der Fortpflanzung von Menschen mit den „besten“ Merkmalen, in die Verhinderung der Fortpflanzung von Menschen mit „minderwertigen“ Merkmalen und in die Vorbereitung auf Expansionskriege erforderlich, damit Deutschland seinem natürlichen, biologisch verankerten Überlebensinstinkt folgen könne. Darüber hinaus versuchten die Nationalsozialisten, ein „natürliches“ Rassenbewusstsein in der deutschen Bevölkerung zu schaffen. Angeblich versuchten Juden, durch parlamentarische Demokratie, internationale Kooperationsabkommen und Klassenkonflikte die Deutschen zu unterdrücken. Aufgrund ihrer rassischen Überlegenheit, so Hitler, hätten die Deutschen das Recht und die Pflicht, sich die Gebiete im Osten von den Slawen, „Asiaten“ und ihrer jüdischen Puppenspieler anzueignen. Mit der Verfolgung dieser Ziele folgten die Deutschen laut Hitler lediglich ihren natürlichen Instinkten. Um die Slawen dauerhaft zu besiegen und zu beherrschen, war es nahezu Aufgabe der deutschen „Herrenrasse“, die dortigen Führungsklassen und die Juden zu vernichten. Letztere wurden als einzige „Rasse“ betrachtet, die in der Lage sei, die niederen Rassen mittels einer brutalen bolschewistisch-kommunistischen Doktrin zu organisieren. Bei dieser handelte es sich nach NS-Auffassung um eine biologisch festgelegte „jüdische“ Ideologie.

Die Nationalsozialisten waren der Ansicht, dass die Beseitigung dieser „Bedrohung“ für das Überleben der Deutschen nur durch Beseitigung der Menschen gelingen konnte, die ihrer Rassenideologie zufolge diese Bedrohung verkörperten. Hitler glaubte, dass dies ein naturgegebener Prozess sei. Hitlers Plan von Krieg und Völkermord basierte letztendlich auf einer Überzeugung, die er wie eine Formel verinnerlichte: „Arische“ Deutsche kämen nicht umhin, sich zu verbreiten und andere zu beherrschen, wenn sie nicht selbst untergehen wollten. Dazu gehörte die Beseitigung sämtlicher rassischen Bedrohungen, insbesondere die der Juden.