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Inwiefern haben unterschiedliche Ziele und politische Systeme den Rassismus im NS-Regime und in den Vereinigten Staaten geprägt?

Die Bedeutung der Begriffe „Rasse“ und „Rassismus“ hat sich im Lauf der Zeit und in verschiedenen politischen, sozialen und kulturellen Konstellationen verändert. Rassismus im NS-Regime und Rassismus in den USA sind zwei unterschiedliche und komplexe Themen. In dieser Diskussion geht es um die Geschichte des rassistischen Antisemitismus in Deutschland im Vergleich zum Rassismus in den USA. Dieser Abschnitt bietet weitere Informationen darüber, wie sich Rassismus in beiden Ländern unterschiedlich entwickelt hat.

Hintergrundinformationen zu dieser Diskussion sind den verwandten Artikeln zu entnehmen.

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Einige der zeitgleich stattfindenden Diskriminierungs- und Segregationspraktiken im NS-Regime und in den USA waren ähnlich. Allerdings waren die Ziele der Rassenpolitik und die politischen Systeme, in denen sie existierte, unterschiedlich. Das Ziel des Rassismus in den USA bestand darin, Afroamerikaner dauerhaft, oft unter Anwendung von Gewalt, in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen auszugrenzen und auszubeuten. (Eine kleine Minderheit in den USA sprach sich für die Deportation der Schwarzen nach Afrika aus.) Im nationalsozialistischen Regime ging es anfangs darum, einen „rassisch reinen und judenfreien“ Staat zu schaffen. Mit Isolierung, Verarmung und Terror sollte Druck aufgebaut werden, um die Juden zum Auswandern zu bewegen. Während des Zweiten Weltkriegs, auf dem Höhepunkt der NS-Herrschaft in Europa, wurde ein neues Ziel formuliert: der Völkermord aller europäischer Juden wurde beschlossen.

Das nationalsozialistische Deutschlandwar eine Diktatur. Hitler und die NSDAP hatten daher die Kontrolle über politische, soziale und kulturelle Einrichtungen. Die NS-Machthaber wiesen die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Menschen offen und wiederholt zurück. Sie förderten Rassismus aggressiv und integrierten ihn in die nationale Gesetzgebung. Das NS-Regime betrachtete Juden als „tödliche Bedrohung“ für das deutsche Volk. Sie verfolgten jedoch auch andere Gruppen, die sie als „biologisch minderwertig“ betrachteten. Nachdem die Nationalsozialisten ihre Macht konsolidiert hatten, blieben deutschen Juden und den Gegnern der NS-Rassenpolitik kaum noch Möglichkeiten, über das politische System dagegen anzugehen.

Wenngleich der Leitsatz „alle Menschen sind gleich geschaffen“ ein viel gepriesenes Ideal in den USA sein mag, so galt es nicht für Afroamerikaner. Unter der demokratischen Ordnung der Vereinigten Staaten hatten diejenigen, die gegen ungerechte Gesetze und Praktiken waren, Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Ihnen standen beispielsweise in der Verfassung verankerte Rechte zu wie Pressefreiheit und Meinungsfreiheit. Oft unter Gefährdung ihres Lebens und ihrer Lebensgrundlage mussten sich Afroamerikaner gegen eine überwältigende rassistische Übermacht behaupten. Sie versuchten, ihre Bürgerrechte einzuklagen, indem sie betonten, wie scheinheilig das amerikanische Ideal der Gleichheit vor dem Gesetz angesichts ihrer Lage war.

Die Rolle der Regierung bei der Organisation und Ausführung von Gewalt unterschied sich ebenfalls in den beiden Ländern. Im NS-Regime wurden Einschüchterung und Gewalt von Hitler und den NS-Führern organisiert und durchgeführt. Sie unterstützten außerdem gewaltsame Aktionen durch Aktivisten in der Bevölkerung. Die staatlich organisierte Gewalt zeigte sich unter anderem im Pogrom vom 9. auf den 10. November 1938 (früher als ,,Reichskristallnacht" bezeichnet). Im ganzen Land wurden Terroranschläge gegen Juden und jüdischen Besitz verübt. Auch die Ausarbeitung und Umsetzung der „Endlösung“ waren das Werk der NS-Führer. Das systematische Völkermordprogramm richtete sich während des Zweiten Weltkriegs gegen alle Juden Europas. 

In den USA, insbesondere in den Südstaaten, wo die sog. Jim Crow-Gesetze die Rassentrennung festschrieben, hatten rassistische Gewalt und Terror eine lange Vorgeschichte. Gruppen weißer Amerikaner, animiert durch die Ideologie der weißen Vorherrschaft, handelten auf eigene Initiative. Manchmal geschah dies als Reaktion auf eine vermeintliche Überschreitung von Rassengrenzen durch schwarze Amerikaner, oft aber völlig grundlos. Hasserfüllte weiße Menschen schlugen, demütigten, folterten und lynchten ihre schwarzen Mitbürger ohne jegliche Strafverfolgung. Die lokalen Behörden erteilten entweder ihre explizite Genehmigung oder duldeten die Vorgänge stillschweigend. Lynchmorde wurden oft in der Zeitung angekündigt. Lokale, bundesstaatliche und nationale Behörden hatten zwar Kenntnis von diesen Ankündigungen, unternahmen jedoch nichts, um die Morde zu verhindern.

Illustration aus einem antisemitischen Kinderbuch

Fortbestand von Rassismus und Antisemitismus

Trotz der Tatsache, dass die moderne Wissenschaft die aus dem 20. Jahrhundert stammende Auffassung biologisch bestimmter, unterschiedlicher „Rassen“ vollständig widerlegt hat, haben Rassismus und Antisemitismus in den Vereinigten Staaten, in Europa und in anderen Ländern weiterhin Bestand.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust wurde die Eugenik aus verschiedenen Gründen diskreditiert. Ein Grund dafür waren der im Namen der NS-Rassenideologie begangene Völkermord und andere Verbrechen. Ein weiterer Grund waren neuere wissenschaftliche Erkenntnisse über die menschliche Genetik. Es ist wissenschaftlich belegt, dass es keine spezifischen Genpools gibt, die eine Zuordnung zu einer bestimmten „Rasse“ zulassen würden. Bei allen Menschen stimmt die DNA zu etwa 99,9 % überein. Darüber hinaus hat die Genforschung gezeigt, dass die genetischen Wurzeln aller menschlichen Populationen auf einen gemeinsamen Ursprung in Ostafrika zurückverfolgt werden können.

Wissenschaftler stimmen heute darin überein, dass „Rasse“ kein genetisches oder biologisches Konzept ist, sondern vielmehr ein kulturelles und soziales Konzept, das je nach Zeit, Ort und Umständen variiert – eine Erfindung des Menschen.

Im Lauf der Geschichte hat Hass gegen bestimmte Gruppen überlebt, auch wenn sich die Motive dafür manchmal geändert haben. Die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion, Ethnizität oder Nationalität führt völlig unabhängig vom angeführten „Grund“ weiterhin zu Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt, darunter Massengräueltaten und Völkermord.

Kritische Fragen

  • Inwiefern unterscheiden sich die Rassengesetze und Praktiken des NS-Regimes von den entsprechenden Gesetzen und Praktiken in den USA? Was haben sie gemeinsam? Wie haben sich die Unterschiede jeweils auf die Menschen ausgewirkt, die von den Gesetzen betroffen waren?

  • Wie können Regierungen und Bürger der Entstehung oder Existenz von rassistischen politischen Parteien und Ideologien entgegentreten?

  • Inwiefern kann das Wissen über die Ereignisse in Deutschland und Europa vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten den Menschen heute helfen, weltweit bestehende Gefahren von Völkermord und Massengräueltaten zu erkennen und darauf zu reagieren?

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