
Die Sicherheitspolizei (SiPo)
Die Sicherheitspolizei (SiPo) war eine neue Polizeiorganisation in Deutschland, die 1936 vom Führer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler ins Leben gerufen wurde. Die Sicherheitspolizei vereinte Kriminalpolizei (Kripo) und politische Polizei (Gestapo). Sie arbeitete eng mit dem SD (Sicherheitsdienst), dem Nachrichtendienst der SS, zusammen. Die Institution und die Mitglieder der Sicherheitspolizei waren maßgeblich am Holocaust beteiligt.
Wichtige Fakten
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Mit der Schaffung der Sicherheitspolizei sollte eine enge Kooperation zwischen Kriminalpolizei (Kripo) und Gestapo sichergestellt werden.
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Die Sicherheitspolizei war eng mit dem Sicherheitsdienst (SD), dem Nachrichtendienst der SS, verbunden. Im September 1939 wurden Sicherheitspolizei und SD im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) zusammengefasst.
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Die Institution und die Mitglieder der Sicherheitspolizei waren maßgeblich am Holocaust beteiligt. Sicherheitspolizisten führten Massenerschießungen durch, koordinierten Deportationen und begingen weitere grausame Verbrechen.
Am 17. Juni 1936 ernannte Adolf Hitler den Reichsführer SS, Heinrich Himmler, auch zum Chef der deutschen Polizei. Eine der ersten Amtshandlungen Himmlers war die Schaffung einer neuen Polizeibehörde: die Sicherheitspolizei (SiPo). Sie beherbergte die zwei ermittelnden Polizeibehörden des NS-Staates:
- die Kriminalpolizei (kurz Kripo), die für die Untersuchung von Verbrechen wie Diebstahl und Mord zuständig war sowie für die Überwachung der vermeintlichen sozialen und kriminellen Feinde des Regimes
- die politische Polizei (kurz Gestapo für Geheime Staatspolizei), die für die Untersuchung von Staatsbedrohungen zuständig war und den Auftrag hatte, die vermeintlichen politischen und rassischen Feinde des Regimes zu überwachen
Mit der Schaffung der Sicherheitspolizei (SiPo) sollte bewusst eine enge Beziehung zwischen Kripo und Gestapo hergestellt werden. Die beiden Polizeibehörden hatten viele Gemeinsamkeiten:
- Beide waren Ermittlungsbehörden.
- Beide waren für den Schutz des NS-Regimes vor vermeintlichen Feinden verantwortlich.
- Kripo- und Gestapo-Polizisten hatten einen ähnlichen Hintergrund und erhielten eine ähnliche Ausbildung.
- Sie nutzten beide das gleiche Dienstgradsystem.
- Im Einsatz trugen die Polizisten oft keine Uniform, sondern Zivilkleidung.
In gewisser Weise war es eine logische und praktische Entscheidung, diese beiden Behörden zu vereinen. Aufgrund des weitestgehend ähnlichen Profils, das für die Ausübung der Aufgaben erforderlich war, wurden die Ermittlungstätigkeit und die politische Polizeiarbeit lange Zeit als zwei Seiten einer Medaille betrachtet. Dies war bereits vor der NS-Zeit in Deutschland und in verschiedenen anderen europäischen Ländern der Fall. Die Einrichtung der Sicherheitspolizei war jedoch mehr als die Zentralisierung und Vereinheitlichung der beiden Polizeibehörden.
Die Bündelung von Kripo und Gestapo war ein wichtiger Schritt bei der Schaffung des nationalsozialistischen SS- und Polizeisystems. Die neue Behörde verkörperte die NS-Ideologie, der zufolge es sich bei politischen Gegnern und Kriminellen um ähnliche und miteinander verbundene Bedrohungen handelte. Den Nationalsozialisten zufolge untergruben beide Gruppen allein durch ihre Existenz die Sicherheit der Volksgemeinschaft. Als starke, zentralisierte und einheitliche politische und kriminalpolizeiliche Behörde kam der Sicherheitspolizei eine entscheidende Funktion bei der Durchsetzung der Vorgaben des NS-Regimes und der Verwirklichung seiner rassistischen Ziele zu.
Gründung der Sicherheitspolizei (SiPo)
Heinrich Himmler schuf die Sicherheitspolizei im Rahmen seiner Bemühungen, die zuvor dezentralisierten deutschen Polizeibehörden zu reorganisieren und zu zentralisieren. Zu diesem Zweck schuf er zwei neue Regierungsstrukturen:
- das Hauptamt Sicherheitspolizei (SiPo)
- das Hauptamt Ordnungspolizei
Himmlers Entscheidung, diese Ämter als Hauptämter zu bezeichnen, hatte eine wichtige symbolische Bedeutung. Die Bezeichnung Hauptamt war zur damaligen Zeit als Bezeichnung für deutsche Regierungsstellen eher unüblich. Der Begriff wurde in der Regel in den Bezeichnungen der SS-Verwaltungsabteilungen verwendet. Mit der Wahl dieser Bezeichnung signalisierte Himmler, dass diese Polizeiorganisationen der SS angehörten, wenn auch nicht per Gesetz, so doch im Geiste. Die Einrichtung der Sicherheitspolizei war somit auch Teil von Himmlers Bemühungen, SS und Polizei zu einem System zu verschmelzen.
In diesem neuen SS- und Polizeisystem sollte nach den Plänen Himmlers die Sicherheitspolizei eng mit dem Sicherheitsdienst (SD) der SS zusammenarbeiten, um gegen die Feinde des NS-Regimes vorzugehen.
Zum Leiter des Hauptamtes der Sicherheitspolizei ernannte Himmler den SD-Führer Reinhard Heydrich. Heydrich war damit sowohl für den SD als auch für die Sicherheitspolizei zuständig. Sein neuer Titel lautete Chef der Sicherheitspolizei und des SD. Heydrich fungierte als persönliches Bindeglied zwischen beiden Organisationen, so wie Himmler als Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei die SS und die Polizei miteinander verband.
Beziehung zwischen Sicherheitspolizei (SiPo) und Sicherheitsdienst (SD)
Himmler und Heydrich erhofften sich eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Sicherheitspolizei und SD. Die NSDAP, der sowohl die SS als auch der SD angehörten, hatte jedoch eine ganz andere Struktur als die Regierung, zu der auch die Polizei gehörte. Die Koordinierung der Arbeit von Sicherheitspolizei und SD war Aufgabe von Beamten, die in beiden Organisationen eingesetzt wurden.
Arbeitsteilung
Sicherheitspolizei und SD hatten vermeintlich unterschiedliche, aber sich ergänzende Aufgaben.
Die Sicherheitspolizei war eine Organisation des öffentlichen Dienstes innerhalb der deutschen Regierung. Sie war dem Chef der deutschen Polizei und dem Innenministerium unterstellt. Im Kern war die Sicherheitspolizei eine Polizeiorganisation. Die Sicherheitspolizisten verfügten in der Regel über eine polizeiliche Ausbildung, Kenntnisse der rechtlichen bürokratischen Verfahren und Ermittlungserfahrung. Vor allem aber hatten sie polizeiliche Befugnisse, darunter die Befugnis, Personen offiziell zu verhaften. Tatsächlich war die Sicherheitspolizei die einzige Institution des NS-Regimes, die befugt war, Menschen in Konzentrationslagern zu inhaftieren.
Im Gegensatz zur Sicherheitspolizei war der SD eine Organisation der NSDAP und der SS unterstellt. Der SD war für die Entwicklung der theoretischen Aspekte des Nachrichtendienstes und der Sicherheit zuständig. Er war im Kern eine nationalsozialistische Organisation. Demzufolge prägte die NS-Ideologie den SD von Grund auf, einschließlich der Struktur seines Nachrichtendienstes. Als Organisation der NSDAP hatte der SD unter dem Regime nicht die Befugnis, potenzielle Feinde zu verhaften. Diese Macht lag nach wie vor bei der deutschen Strafjustiz.
Kooperation und Konkurrenz
In der Theorie bedeutete die Arbeitsteilung, dass der SD feststellte, wer oder was eine Bedrohung darstellte, während die Sicherheitspolizei die eigentlichen Verhaftungen durchführte. In der Praxis kam es jedoch zu erheblichen Überschneidungen zwischen den Aufgaben von Sicherheitspolizei und SD. Infolgedessen konkurrierten sie oft um Einfluss. Die Funktion des SD innerhalb des NS-Regimes duplizierte Aufgaben, die üblicherweise der Polizei oblagen, wie Ermittlungen und Überwachung. Indem sie den SD ins Spiel brachten, gelang es Himmler und Heydrich schließlich, die Polizeipraxis zu radikalisieren und zu nazifizieren.
SD und Sicherheitspolizei arbeiteten aufgrund ihrer Konkurrenzsituation nicht immer optimal zusammen. Um dieses Problem zu lösen, führte Heydrich die so genannten Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD (IdS) ein. Ihre Aufgabe war es, alle Einheiten der Sicherheitspolizei und des SD in einer bestimmten Region des Regimes zu beaufsichtigen und die Zusammenarbeit zu fördern.
Ende der 1930er Jahre kam es bei Sicherheitspolizei und SD immer häufiger zu personellen Verschiebungen und sich überschneidenden Mitgliedschaften. SD-Beamte wurden manchmal zur Sicherheitspolizei versetzt. Adolf Eichmann zum Beispiel war zunächst für den SD tätig, bevor er 1939 eine Führungsposition bei der Gestapo übernahm. Ebenso hatten Sicherheitspolizisten, die Führungspositionen bei der Kripo und Gestapo innehatten, häufig auch einen SS-Rang inne und waren Mitglieder des SD.

Sicherheitspolizei und Zweiter Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939 mit dem Überfall Deutschlands auf Polen. Während des Krieges sollten SD und Sicherheitspolizei eine wichtige Funktion beim „Schutz Deutschlands vor seinen Feinden“ einnehmen. In Anerkennung ihrer Bedeutung für den Krieg richtete Himmler am 27. September 1939 das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) ein. Mit dieser Institution wurden das Hauptamt Sicherheitspolizei und der SD formell zusammengeführt.
- Die Gestapo wurde zu Amt IV des RSHA, obwohl sie weiterhin als Gestapo bezeichnet wurde.
- Die Kripo wurde zu Amt V des RSHA, obwohl sie weiterhin als Kripo bezeichnet wurde.
Das Hauptamt Sicherheitspolizei war von diesem Zeitpunkt an nicht mehr existent. Es wurde durch das Reichssicherheitshauptamt ersetzt. Dennoch war der Begriff „Sicherheitspolizei“ in bestimmten SS- und Polizeieinheiten und SS-Positionen in Deutschland und im besetzten Europa weiterhin Teil der offiziellen Bezeichnung.
Sicherheitspolizei und Holocaust
Die Sicherheitspolizei spielte eine wichtige Rolle im Holocaust. Angehörige der Sicherheitspolizei waren unmittelbar am Massenmord an Juden und anderen Opfern beteiligt. Beamte der Kripo entwickelten schon früh Techniken, um Menschen massenhaft mit Giftgas zu töten. Weitere Beispiele:
- Gestapobeamte waren für die Deportation von Juden aus dem NS-Regime und aus ganz Europa in die Tötungsstätten und Vernichtungslager im besetzten Osteuropa verantwortlich. Als Leiter des Gestapoamts IV B 4 war Adolf Eichmann besonders berüchtigt für seine Rolle bei der Initiierung und Koordinierung von Deportationen aus weiten Teilen Europas.
- Gestapobeamte machten Juden in ihren Verstecken ausfindig und deportierten sie.
Gemischte Einheiten aus Sicherheitspolizei und SD waren im besonderen Maße am Tod von Menschen beteiligt. In vielen Teilen des besetzten Europas waren die Leiter von Sicherheitspolizei und SD und ihre Mitarbeiter für die Durchführung der Massenmorde an europäischen Juden verantwortlich. So war etwa der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Belgien und Nordfrankreich für die Koordinierung der Deportation belgischer Juden in den Tod zuständig.
Die berüchtigtsten Einheiten von Sicherheitspolizei und SD waren die Einsatzgruppen. Die Einsatzgruppen waren mobile Einheiten der Sicherheitspolizei und des SD, die erstmals 1938 zum Einsatz kamen. Die Einsatzgruppen wurden für Sicherheitsmaßnahmen in den von der Wehrmacht neu eroberten Gebieten abgestellt. Dazu gehörte beispielsweise die Identifizierung und „Neutralisierung“ potenzieller Feinde der deutschen Herrschaft. Die Einsatzgruppen beschlagnahmten zudem wichtige Standorte und verhinderten Sabotageakte. Und sie rekrutierten Kollaborateure und bauten nachrichtendienstliche Netzwerke auf. Die Einsatzgruppen waren ein durchweg brutales Instrument der nationalsozialistischen Besatzungspolitik.

Die Einsatzgruppen sind vor allem für die von ihnen durchgeführten Massenerschießungen von Juden nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 bekannt. Viele Sicherheitspolizisten schlossen sich den Einheiten an und leiteten sie. Arthur Nebe, hochrangiges Mitglied der Sicherheitspolizei und Leiter der Kripo, befehligte persönlich eine dieser Einheiten. Von Juni bis November 1941 leitete er die Einsatzgruppe B. Während Nebes Dienstzeit war seine Einheit für den Massenmord an 45.000 Menschen in den Gebieten um Bialystok, Minsk und Mogilev verantwortlich.