
Der Sicherheitsdienst (SD)
Der SD (Sicherheitsdienst) war einer der Nachrichtendienste der NSDAP. Er war Teil der SS (Schutzstaffel), einer paramilitärischen Eliteorganisation der NSDAP, die Heinrich Himmler unterstellt war. Mit der Zeit nahm der SD eine immer wichtigere Rolle in der antijüdischen Politik der Nationalsozialisten ein. Am berüchtigtsten ist der SD als Schlüsselkomponente der Einsatzgruppen.
Wichtige Fakten
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Für den Großteil seines Bestehens wurde der SD von Reinhard Heydrich geleitet und war eng mit seiner Person verbunden. Heydrich war eine Schlüsselfigur in der Geschichte des Holocausts.
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In den 1930er Jahren koordinierten Reichsführer SS Heinrich Himmler und sein Stellvertreter Reinhard Heydrich die Zusammenlegung von SD und Sicherheitspolizei (die aus Gestapo und Kripo bestand).
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Viele der Holocaust-Verbrechen wurden von Einheiten der Sicherheitspolizei und des SD, darunter die berüchtigten Einsatzgruppen, verübt.
Der Sicherheitsdienst (SD) war ein Nachrichtendienst der Nationalsozialisten. Der SD bestand von 1931 bis 1945. Die meiste Zeit über wurde er von Reinhard Heydrich geleitet. Der SD war eine ideologisch radikale Organisation, deren Mitglieder zu den Hauptverantwortlichen des Holocausts gehören.
Der SD war eine Untergruppe der SS (Schutzstaffel), der paramilitärischen Eliteeinheit der NSDAP unter der Leitung von Heinrich Himmler. Als Nachrichtendienst der SS war der SD für die Einholung von Informationen über tatsächliche und vermeintliche Feinde der NSDAP zuständig. Zu diesen vermeintlichen Feinden zählten unter anderem politische Gegner, Juden und Freimaurer. Der SD wurde zu einer der wichtigsten Quellen, über die das NS-Regime Informationen und Wissen über Juden bezog. Der SD schlug verschiedene Methoden zur Lösung der „Judenfrage“ vor und experimentierte mit ihnen.
Frühe Jahre des SD, 1931–1933
Im Sommer 1931 richtete SS-Chef Heinrich Himmler offiziell den Sicherheitsdienst (SD) ein. Mit der Leitung der neuen Organisation beauftragte er Reinhard Heydrich. Unter Heydrichs Führung entwickelte sich der SD von einer kleinen, unterfinanzierten Organisation zu einem wichtigen Akteur des NS-Regimes.
Bevor die Nationalsozialisten im Januar 1933 an die Macht kamen, war der SD von Heydrich noch recht klein. Mitte des Jahres 1932 waren höchstens 33 Personen im Sicherheitsdienst beschäftigt. Tatsächlich war er zunächst nur einer von mehreren NS-Geheimdiensten, die miteinander um Einfluss konkurrierten.
Der frühe SD hatte die Aufgabe, nachrichtendienstliche Informationen über die politischen Gegner der NSDAP einzuholen. In der Praxis bedeutete dies, dass der SD andere politische Parteien und Regierungsbeamte ausspionierte. Sie sammelten aber auch Informationen über Hitlers Gegner innerhalb der NS-Bewegung und innerhalb der Partei. Der frühe SD war vor allem damit befasst, Informationen über neue Mitglieder der schnell wachsenden NSDAP zu sammeln. Die Nazis befürchteten, dass der massive Zustrom von Parteianhängern auch von Spionen der Polizei und anderer politischer Bewegungen unterwandert sein könnte.
Der SD in den ersten Jahren des NS-Regimes (1933-1936)
Im Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Zunächst war dem SD keine eindeutige Rolle im neuen NS-Regime zugeteilt. Die Organisation blieb klein und war unterfinanziert. Dies änderte sich jedoch, als der SD am 9. Juni 1934 offiziell zum einzigen Nachrichtendienst der NSDAP erklärt wurde.
Noch im selben Monat sollten Heydrich und andere SD-Führer eine wichtige Rolle beim sogenannten „Röhm-Putsch“ spielen. Im Rahmen dieser „Säuberungswelle“ wurden zwischen dem 30. Juni und dem 2. Juli 1934 Personen ermordet, die dem Machtanspruch Hitlers noch hätten gefährlich werden können. Sie richtete sich in erster Linie gegen die SA (Sturmabteilung). Die SA war eine weitere paramilitärische Einheit der NSDAP, die eine loyale, radikale und gewalttätige Kraft beim Aufstieg der Nationalsozialisten darstellte. Im Sommer 1934 schließlich passten die Kultur und die Ideale der SA nicht mehr zu Hitler und dem NS-Regime. Ihre Gewaltbereitschaft und Impulsivität sowie ihre Forderungen nach einer sozialen Revolution beunruhigten viele Deutsche.
Himmler und Heydrich waren beide eng in die Anleitung, Vorbereitung und Durchführung der „Säuberung“ eingebunden. Im Vorfeld hatte der SD dabei geholfen, Listen mit den Namen der zu Ermordenden zu erstellen. Heydrich überwachte die Ereignisse in Berlin persönlich, während andere SD-Mitglieder sich an der „Säuberung“ in München beteiligten. Die „Säuberung“ offenbarte die Brutalität von Heydrich und seinen SD-Mitarbeitern und deren Loyalität Hitler gegenüber. Im Anschluss an den Röhm-Putsch nahm die Bedeutung des SD weiter zu.
Ende 1934 waren 850 Personen im SD tätig, fast 26 Mal so viele wie zu Beginn der Organisation. Die Männer, die dem SD beitraten, waren in der Regel jung – in den Zwanzigern oder Dreißigern – und sie waren gebildet. Unter ihnen befanden sich zahlreiche Juristen. Vor allem aber waren die SD-Männer engagierte Verfechter nationalsozialistischer Ideale.
Der Aufstieg von Himmler, Heydrich und dem SD
Mit dem Aufstieg seines Gründers Heinrich Himmler in der NS-Hierarchie gewann auch der SD ab Mitte bis Ende der 1930er Jahre an Einfluss. Je größer die Macht Himmlers wurde, desto größer wurde auch die seines Stellvertreters, des SD-Führers Reinhard Heydrich.
Der Sommer 1936 war ein Schlüsselmoment für Himmlers Karriere. Himmler war seit 1929 Leiter der SS, einer Abteilung der NSDAP. Im Juni 1936 ernannte Hitler Himmler zusätzlich zum Chef der deutschen Polizei. In diesem Amt war Himmler für alle deutschen Polizeikräfte zuständig. Damit hatte Himmler gleich zwei herausragende Positionen inne, eine in der Parteistruktur und eine in der Regierung.
In seiner Funktion als Führer SS und Chef der deutschen Polizei verhalf Himmler dem SD zu einer noch mächtigeren Position.
Zusammenlegung von SD und Sicherheitspolizei, 1936-1939
Als Führer SS und Chef der deutschen Polizei arbeitete Himmler an der Verwirklichung seines Vorhabens, die SS und die deutsche Polizei zu vereinen. In dem neuen SS- und Polizeisystem sollte der SD zusammen mit der politischen Polizei und der Kriminalpolizei gegen die Feinde Deutschlands vorgehen.
In der ersten Hälfte des Jahres 1936 waren politische Polizei und Kriminalpolizei noch getrennte Einheiten. Himmler musste also zuerst die politische Polizei und die Kriminalpolizei zusammenlegen und zentralisieren. Dies tat Himmler schließlich im Juni 1936 mit der Gründung des Hauptamtes Sicherheitspolizei (SiPo). Die Sicherheitspolizei bestand aus der Kriminalpolizei (Kripo) und der politischen Polizei (Gestapo).
Parallel zur Zusammenlegung von Kripo und Gestapo zur Sicherheitspolizei machte sich Himmler an die Angliederung an den SD. Vor allem aber ernannte Himmler Heydrich zum Leiter der Sicherheitspolizei. Das bedeutete, dass Heydrich nun sowohl für den SD als auch für die Sicherheitspolizei zuständig war. Sein neuer Titel lautete Chef der Sicherheitspolizei und des SD. Wie Himmler hatte auch Heydrich gleich zwei Ämter inne und fungierte als persönliches Bindeglied zwischen den beiden Organisationen.
Himmler und Heydrich erhofften sich eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Sicherheitspolizei und SD. Aufgrund der Struktur der NSDAP und des NS-Regimes gestaltete sich dies jedoch als schwierig. Es handelte sich um ein kompliziertes neues System, das auf der Schaffung von Doppelpositionen beruhte, welche die NSDAP mit der Regierung verbanden.
Wie funktionierten SD und Sicherheitspolizei im NS-Staat?
Im NS-Regime der Vorkriegszeit hatten SD und Sicherheitspolizei unterschiedliche, aber sich ergänzende Aufgaben. Diese Rollen waren durch ihre unterschiedlichen Positionen im NS-Regime und durch die Struktur der Regierung vorgegeben.
Der SD war eine Organisation der NSDAP und der SS unterstellt. Der SD war für die Entwicklung der theoretischen Aspekte des Nachrichtendienstes und der Sicherheit zuständig. Er war im Kern eine nationalsozialistische Organisation. Die Weltanschauung der SD-Mitarbeiter war stark von der NS-Ideologie beeinflusst. Demzufolge prägten nationalsozialistische Vorstellungen den SD von Grund auf, darunter auch die Struktur seines Nachrichtendienstes. Der SD richtete separate Geheimdienstabteilungen ein, um die vermeintlichen Feinde des Regimes innerhalb Deutschlands zu beobachten. Sie schufen Abteilungen für Juden, linksmarxistische Gegner, religiöse Abweichler wie die Zeugen Jehovas, rechtsnationale Gegner und Freimaurer. Als Organisation der NSDAP hatte der SD unter dem Regime jedoch nicht die Befugnis, potenzielle Feinde zu verhaften. Diese Macht lag nach wie vor bei der deutschen Strafjustiz.
Im Gegensatz zum SD war die Sicherheitspolizei eine Organisation des öffentlichen Dienstes innerhalb der deutschen Regierung. Sie war dem Chef der deutschen Polizei und dem Innenministerium unterstellt. Im Kern war die Sicherheitspolizei eine Polizeiorganisation. Die Sicherheitspolizisten verfügten in der Regel über eine polizeiliche Ausbildung, Kenntnisse der rechtlichen bürokratischen Verfahren und Ermittlungserfahrung. Vor allem aber hatte die Sicherheitspolizei polizeiliche Befugnisse, darunter die Befugnis, Personen offiziell zu verhaften.
In der Theorie bedeutete die Arbeitsteilung, dass der SD feststellte, wer oder was eine Bedrohung darstellte, während die Sicherheitspolizei die eigentlichen Verhaftungen durchführte. In der Praxis kam es jedoch zu erheblichen Überschneidungen zwischen den Aufgaben von Sicherheitspolizei und SD. Infolgedessen konkurrierten sie oft um Einfluss. Die Funktion des SD innerhalb des NS-Regimes duplizierte Aufgaben, die typischerweise der Polizei oblagen, wie Ermittlungen und Überwachung. Indem sie den SD ins Spiel brachten, gelang es Himmler und Heydrich schließlich, die Polizeipraxis zu radikalisieren und zu nazifizieren.
SD und Sicherheitspolizei arbeiteten aufgrund ihrer Konkurrenzsituation nicht immer optimal zusammen. Um dieses Problem zu lösen, führte Heydrich die so genannten Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD (IdS) ein. Ihre Aufgabe war es, alle Einheiten der Sicherheitspolizei und des SD in einer bestimmten Region des Regimes zu beaufsichtigen und die Zusammenarbeit zu fördern.
In Deutschland selbst behielten SD und Sicherheitspolizei stets ihre getrennten Zuständigkeiten und Aufgaben bei. Im besetzten Europa jedoch verwischten diese Abgrenzungen. Aus NS-Sicht gab es nur wenige rechtliche Beschränkungen dafür, was SD und Sicherheitspolizei in den besetzten Gebieten tun konnten und was nicht. Dies galt insbesondere für das besetzte Osteuropa.
Die Rolle des SD als Nachrichtendienst im Krieg
Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939 mit dem Überfall der Deutschen auf Polen. Während des Krieges spielten der SD und die Sicherheitspolizei eine wichtige Rolle beim angeblichen Schutz Deutschlands vor seinen Feinden. In Anerkennung ihrer Bedeutung für den Krieg richtete Himmler am 27. September 1939 das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) ein. Mit dieser Institution wurden das Hauptamt Sicherheitspolizei und der SD formell zusammengeführt. Heydrich leitete das RSHA bis zu seinem Tod im Juni 1942. Schließlich übernahm ein anderer SS-Offizier, Ernst Kaltenbrunner, die Leitung der Organisation.
Die Zahl der Mitarbeiter des SD nahm während des Krieges weiter zu. Im Jahr 1940 zählte der SD 4.300 Mitglieder. Im Jahr 1944 stieg die Zahl auf 6.482.
Ab 1941 gab es innerhalb des RSHA zwei SD-Büros: Amt III SD-Inland (Deutsche Lebensgebiete) und Amt VI SD-Ausland (Auslandsnachrichtendienst).
Der SD-Inlandsgeheimdienst während des Krieges
Während des Krieges sammelte der SD weiterhin Informationen über potenzielle Feinde. Der SD-Inlandsgeheimdienst (Amt III des RSHA) erstellte auch Berichte über die Stimmungslage in der deutschen Bevölkerung. In diesen Berichten vermerkte der SD unter anderem, wie die Zivilbevölkerung auf Kriegsverluste reagierte und welche Meinung sie von Hitler und anderen NS-Führern hatte.
SD-Auslandsgeheimdienst während des Krieges
Während des Krieges baute der SD-Auslandsgeheimdienst (Amt VI des RSHA) nachrichtendienstliche Netzwerke im Ausland auf. Sie operierten heimlich auf dem Territorium der Achsenpartner Deutschlands. Gelegentlich betrieben sie ihre eigene Außenpolitik in Konkurrenz zum Auswärtigen Amt. Ein weiterer Konkurrent des SD auf dem Gebiet der Auslandsaufklärung war der militärische Geheimdienst der Wehrmacht (Amt Ausland/Abwehr) unter Admiral Wilhelm Canaris. Im Februar 1944 wurde dieses Amt als Militärisches Amt Mil Amt in das RSHA eingegliedert.
SD und Holocaust
Die Einheiten von Sicherheitspolizei und SD spielten eine wichtige Rolle im Holocaust. In vielen Teilen des von den Deutschen besetzten Europas waren die Leiter von Sicherheitspolizei und SD für die Koordinierung und Durchführung grausamster Verbrechen verantwortlich. So war etwa in den besetzten Niederlanden der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD für die Koordinierung der Deportation niederländischer Juden in den Tod zuständig.
Die berüchtigtsten Einheiten der Sicherheitspolizei und des SD waren die Einsatzgruppen. Diese werden manchmal auch als mobile Tötungseinheiten bezeichnet. Bei den Einsatzgruppen handelte es sich um Einheiten der Sicherheitspolizei und des SD, die bereits 1938 gegründet worden waren. Die Einsatzgruppen wurden für Aufgaben in den von der Wehrmacht neu eroberten Gebieten abgestellt. Dazu gehörte die Durchführung verschiedener Sicherheitsmaßnahmen, etwa die Identifizierung und „Neutralisierung“ potenzieller Widersacher, die Einnahme strategisch wichtiger Stützpunkte, die Verhinderung von Sabotage, die Rekrutierung von Kollaborateuren sowie der Aufbau nachrichtendienstlicher Netzwerke. Die Einsatzgruppen waren ein durchweg brutales Instrument der nationalsozialistischen Besatzungspolitik.

Die Einsatzgruppen sind vor allem für die von ihnen verübten Massaker an Juden nach dem Angriff der Deutschen auf die Sowjetunion im Juni 1941 bekannt. Viele SD-Männer schlossen sich den Einsatzgruppen an und leiteten sie. Otto Ohlendorf, Amtschef (SD-Inland) im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), war Befehlshaber der Einsatzgruppe D. Diese Einheit wurde in der südlichen Ukraine, auf der Krim und im Nordkaukasus eingesetzt. Am 2. Januar 1942 berichtete Ohlendorf, dass seine Einheit zwischen dem 16. November und dem 15. Dezember 1941 im Westen der Krim 17.645 Juden getötet hatte. Dem Bericht zufolge hatte sie auch 2.504 Krimtschaken (eine auf der Krim ansässige turksprachige Minderheit jüdischen Glaubens), 824 Roma und 212 Kommunisten und Partisanen erschossen.
Ohlendorfs Bericht dokumentiert nur einen Fall von Massenmord durch den SD. Insgesamt war der SD für die Ermordung von Millionen von Menschen verantwortlich und daran beteiligt.
Der SD vor Gericht in Nürnberg
Am Ende des Zweiten Weltkriegs war den alliierten Mächten klar, dass der SD eine tragende Rolle bei den NS-Verbrechen gespielt hatte. Das Internationale Militärtribunal in Nürnberg (IMT) erklärte den SD als kriminelle Organisation.
Die Verbrechen des SD wurden in den IMT- und anderen Nachkriegsprozessen ausführlich dokumentiert. Bemerkenswert in dem Zusammenhang war eine eidesstattliche Erklärung des hochrangigen SD-Offiziers Otto Ohlendorf. Mit erschütternder Offenheit gab er zu, dass die Einsatzgruppe D unter seiner Führung in den Jahren 1941 und 1942 in der Ostukraine und auf der Krim 90.000 Zivilisten, zumeist Juden, getötet hatte. Ohlendorf wurde später wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt. Dieser Prozess wurde später oft als „Einsatzgruppen-Prozess“ bezeichnet. Ohlendorf wurde für schuldig befunden und gehängt.