
Gleichschaltung: Koordinierung des NS-Staats
Nachdem die NSDAP 1933 an die Macht gekommen war, ging sie schnell dazu über, alle Aspekte der Gesellschaft zu kontrollieren. Diese interne Machtkonsolidierung zur Umgestaltung Deutschlands in einen NS-Staat wurde als Gleichschaltung bezeichnet. Der Begriff ist im Prinzip gleichbedeutend mit Koordinierung oder Synchronisierung. Im Rahmen der Gleichschaltung wurde das politische, soziale und kulturelle Leben in Deutschland im Sinne der nationalsozialistischen Ziele umgestaltet.
Wichtige Fakten
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Gleichschaltung ist im Prinzip gleichbedeutend mit Koordinierung oder Synchronisierung.
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Gleichschaltung bezeichnet einen Prozess der Nazifizierung, mit dem Deutschland in einen Einparteienstaat unter Hitler und der NSDAP verwandelt werden sollte.
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Sogar Kinder wurden in die Nazifizierung einbezogen. Die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend und im Bund Deutscher Mädel war Pflicht.
Gleichschaltung bezeichnet die Nazifizierung der deutschen Gesellschaft nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933. Nachdem Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war, versuchten er und die NSDAP, alle politischen, sozialen und kulturellen Einrichtungen mit dem NS-Staat in Einklang zu bringen. Diese Koordinierung wurde im Namen der nationalen Einheit durchgeführt, ermöglichte der NSDAP jedoch eine Erweiterung ihrer Macht, indem sie einen Einparteienstaat schuf. Nahezu alles wurde der Gleichschaltung unterzogen: Behörden, Berufsverbände, soziale Vereine und Freizeitaktivitäten – sogar die für Kinder.
Der Staat setzte die Gleichschaltung von oben nach unten durch. Zeitgleich reagierten viele Deutsche mit einer eigenen Gleichschaltung von unten nach oben. Dies wurde als Selbstgleichschaltung bezeichnet. Selbst Hitler war überrascht, wie schnell und einfach die Umgestaltung Deutschlands vonstatten ging. Er stellte fest, dass „alles viel schneller geht, als wir je zu hoffen wagten“.
Schaffung eines Einparteienstaates

Eines der Hauptziele der Gleichschaltung war die Schaffung eines Einparteienstaates unter der alleinigen Kontrolle der Nationalsozialisten. Im Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt. Zu diesem Zeitpunkt war Deutschland noch ein Mehrparteienstaat. Das Land wurde von einer vom Volk gewählten repräsentativen Regierung geführt. Im Monat darauf wurde ein Brandanschlag auf den Reichstag verübt. Die Nazis sahen ihre Chance und machten die Kommunistische Partei dafür verantwortlich. Am 28. Februar 1933 erließen sie die Reichstagsbrandverordnung. Mit der Verordnung wurde der Schutz der Bürgerrechte, der Meinungsfreiheit und des Rechtsstaatsprinzips der deutschen Verfassung außer Kraft gesetzt.
Am 24. März 1933 gelang es Hitler, das Ermächtigungsgesetz zu verabschieden. Mit dem Gesetz verfügte Hitler in seiner Funktion als Reichskanzler über die Befugnis, Gesetze ohne Anhörung des Reichstages zu erlassen. Dies war auch dann möglich, wenn diese Gesetze nicht mit der Verfassung vereinbar waren. Mit diesem Gesetz wurde die parlamentarische Demokratie in Deutschland faktisch beendet.
Hitler war es gelungen, die vollständige Regierungsgewalt an sich zu reißen. Er verabschiedete zwei weitere Gesetze zur Wiederherstellung von Landesregierungen unter nationalsozialistischer Kontrolle, durch welche die bestehenden Landesregierungen aufgelöst wurden. Nach diesem Gesetz sollte außerdem für jedes Land ein Reichsstatthalter ernannt werden. Der Reichsstatthalter unterstand direkt dem Reichsminister des Innern Wilhelm Frick und war für die Umsetzung der nationalsozialistischen Politik in seinem Land verantwortlich.
Die nächste Maßnahme betraf den öffentlichen Dienst. Am 7. April 1933 erließ Hitler das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Mit dieser Maßnahme wurden alle Juden und politischen Gegner der Nationalsozialisten aus dem öffentlichen Dienst entfernt. Sämtliche Mitarbeiter auf allen Ebenen der staatlichen Verwaltung waren davon betroffen. Sie galt drüber hinaus für zahlreiche weitere Berufe, die in Deutschland (im Gegensatz zu vielen anderen Ländern) dem öffentlichen Dienst zugeordnet sind. Dazu gehörten beispielsweise Richter, Lehrer, Universitätsprofessoren und Juristen. Viele Menschen, insbesondere Juden und Kommunisten, verloren ihren Arbeitsplatz und ihre Rentenansprüche. Viele Menschen traten in die NSDAP ein, um sich in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ihre Arbeitsplätze zu sichern. Nicht alle, die der Partei beitraten, taten dies aus politischer Überzeugung.
Hitler hatte die Kontrolle sowohl über die landesweiten als auch die lokalen Regierungen erlangt. Er hatte außerdem dafür gesorgt, dass alle potenziellen Oppositionellen aus der Regierung entfernt wurden. Die NSDAP konnte Deutschland nunmehr zu einem Einparteienstaat erklären. Am 14. Juli 1933 erließ die Partei das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien. Darin hieß es: „In Deutschland besteht als einzige politische Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.“ Die Mitgliedschaft in anderen politischen Parteien, wie der Sozialdemokratischen Partei oder der Kommunistischen Partei, wurde verboten. Die Mitglieder dieser Parteien wurden verfolgt. Einige verließen das Land oder tauchten in den Untergrund ab. Innerhalb von sechs Monaten hatten Hitler und die NSDAP die vollständige Kontrolle über den deutschen Staat erlangt. Sie hatten jede formale politische Opposition ausgeschaltet.
Koordinierung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens
Doch die absolute politische Macht war der NSDAP nicht genug. Sie strebte die vollständige Kontrolle über das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben in Deutschland an. Im Mai 1933 wurden alle Gewerkschaften abgeschafft und durch die Deutsche Arbeitsfront (DAF) ersetzt. Die DAF bildete eine zentrale, übergreifende Gewerkschaft, der nahezu alle Arbeiter und Angestellten aller Wirtschaftsbereiche angehörten. Landwirte wurden beispielsweise vom Reichsnährstand koordiniert. Während die herkömmlichen Gewerkschaften den Rechten der Arbeitnehmer Vorrang einräumten, stellte die DAF die wirtschaftlichen Ziele des Staates über das persönliche Wohlergehen.
Im September 1933 gründete NS-Propagandaminister Joseph Goebbels die Reichskulturkammer. Diese koordinierte Literatur, Musik, Theater, Rundfunk, Film, bildende Künste und die Presse. Nur Künstler und Schriftsteller, die den angegliederten Organisationen angehörten, durften ihren Beruf weiter ausüben. Gruppen, die zuvor in politischen Parteien oder Gewerkschaften organisiert waren – wie Sportmannschaften, Musikgruppen und Handwerksverbände –, wurden aufgelöst. Die verbleibenden Gruppen wurden der NSDAP unterstellt. Auch die Pfadfinderorganisationen für Kinder wurden nazifiziert. Ein Gesetz aus dem Jahr 1934 erklärte die Hitlerjugend zum einzigen staatlich anerkannten Jugendverband in Deutschland. Ab 1939 war die Mitgliedschaft Pflicht. Alle deutschen Kinder wuchsen von klein auf mit der NS-Ideologie auf.
Selbst die Freizeit wurde im Rahmen des Programms ,,Kraft durch Freude" nach nationalsozialistischen Grundsätzen gestaltet. Die Massenorganisation war eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront. „Kraft durch Freude“ bot subventionierte Reisepakete, Musik- und Kunstunterricht, Gymnastikangebote und gesponserte Theater- und Konzertkarten.
Fazit
Die Gleichschaltung war ein Prozess der Koordinierung. Ihr Ziel war es, alle Aspekte des deutschen Lebens der Kontrolle durch die Nationalsozialisten zuzuführen. Vom Einparteienstaat über die Deutsche Arbeitsfront bis hin zu den staatlich geförderten Freizeitangeboten von „Kraft durch Freude“ gab es kaum einen Bereich des deutschen Lebens, der nicht von vom Nationalsozialismus kontrolliert wurde.
Fußnoten
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Footnote reference1.
Peter Fritzsche, Life and Death in the Third Reich (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2008), 50.
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Footnote reference2.
Deutsches Historisches Institut, „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat („Reichstagsbrandverordnung“) vom 28. Februar 1933“, abgerufen am 23. Januar 2020, http://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=2325. Eine bearbeitete Übersetzung des Originaltextes, wie er ursprünglich aus dem Deutschen übersetzt und von der Regierung der Vereinigten Staaten veröffentlicht wurde, ist auf der Website verfügbar.
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Footnote reference3.
Deutsches Historisches Institut, „Das Ermächtigungsgesetz (24. März 1933)“, abgerufen am 23. Januar 2020, http://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=1496. Eine bearbeitete Übersetzung des Originaltextes, wie er ursprünglich aus dem Deutschen übersetzt und vom US-Außenministerium, Abteilung für europäische Angelegenheiten, veröffentlicht wurde, ist auf der Website verfügbar.
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Footnote reference4.
Erklärung in Artikel 1 des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933.
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Footnote reference5.
Deutsches Historisches Institut, „Gesetz über die Hitlerjugend (1. Dezember 1936)“, abgerufen am 23. Januar 2020, http://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=1564. Eine bearbeitete Übersetzung des Originaltextes, wie er ursprünglich aus dem Deutschen übersetzt und von der Regierung der Vereinigten Staaten veröffentlicht wurde, ist auf der Website verfügbar.