Group portrait of women and children standing outside in Warsaw before the war.

Warschau

Im Herbst 1940 errichteten die deutschen Behörden das Warschauer Ghetto. Warschau war die größte Stadt Polens mit der größten jüdischen Bevölkerung. Fast 30 Prozent der Warschauer Bevölkerung wurden auf einer Fläche eingepfercht, die lediglich 2,4 Prozent des Stadtgebiets ausmachte.

Wichtige Fakten

  • 1

    Die massive Überfüllung sowie die spärlichen Lebensmittelrationen und schlechten sanitären Bedingungen führten zu Krankheiten, Hunger und zum Tod Tausender Juden jeden Monat.

  • 2

    Im Ghetto gab es verschiedene Formen des Widerstands, von der Dokumentation der NS-Verbrechen gegen die Juden bis zum bewaffneten Widerstand, dessen Höhepunkt der Aufstand im Warschauer Ghetto war.

  • 3

    Vom 22. Juli bis 21. September 1942 führten deutsche SS- und Polizeieinheiten mit der Unterstützung von Hilfskräften Massendeportationen vom Warschauer Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka durch.

Die polnische Hauptstadt Warschau liegt an den Ufern der Weichsel. Mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern war Warschau die Hauptstadt des 1918 wiedergegründeten polnischen Staates. Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Stadt ein wichtiges Zentrum jüdischen Lebens und jüdischer Kultur in Polen. Die jüdische Bevölkerung vor dem Zweiten Weltkrieg machte mit mehr als 350.000 Einwohnern etwa 30 Prozent der Gesamtbevölkerung der Stadt aus. Die jüdische Gemeinde Warschaus war die größte in Polen und Europa und die zweitgrößte der Welt, gleich nach New York City.

Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen am 1. September 1939 war Warschau schweren Luftangriffen und Artilleriebeschuss ausgesetzt. Deutsche Truppen nahmen Warschau am 27. September 1939 ein.

German troops parade through Warsaw after the invasion of Poland.

Parade deutscher Truppen nach dem Angriff auf Polen durch Warschau. Warschau, 28. bis 30. September 1939.

Nachweise:
  • National Archives and Records Administration, College Park, MD

Kaum eine Woche später ordneten die deutschen Funktionäre die Einrichtung eines Judenrats an, der unter der Leitung des jüdischen Ingenieurs Adam Czerniaków stand. Als Vorsitzender des Judenrats war Czerniaków für die Verwaltung des bald darauf zu errichtenden Ghettos und die Umsetzung deutscher Befehle verantwortlich. Am 23. November 1939 erließ Hans Frank, Generalgouverneur des von Deutschland besetzten Polens, einen Erlass, wonach alle Juden in seinem Zuständigkeitsbereich sich durch Tragen einer weißen Armbinde mit blauem Davidstern zu identifizieren hatten. Dieser Erlass galt auch für die Juden in Warschau. In der Stadt wurden jüdische Schulen geschlossen, jüdischer Besitz beschlagnahmt, jüdische Männer zur Zwangsarbeit verpflichtet und jüdische Organisationen aufgelöst.

Warschauer Ghetto

Im Oktober 1940 ordneten deutsche Funktionäre die Errichtung eines Ghettos in Warschau an. In dem Erlass wurde verfügt, dass alle jüdischen Bewohner Warschaus sich in einem eigens vorgesehenen Gebiet einzufinden hätten, das die deutschen Behörden im November 1940 vom Rest der Stadt abriegelten. Das Ghetto war von einer über 3 Meter hohen Mauer, die oben zusätzlich mit Stacheldraht versehen war, umgeben und wurde streng bewacht, um Bewegungen zwischen dem Ghetto und dem Rest der Stadt zu verhindern. Die Anzahl der Bewohner des Ghettos, die aufgrund der Internierung von Juden aus umliegenden Städten zusätzlich stieg, wurde auf mehr als 400.000 Juden geschätzt. Die Bewohner waren auf einer Fläche von etwa 3,4 Quadratkilometern zusammengepfercht. In einem Zimmer waren durchschnittlich 7,2 Personen untergebracht.

Lebensbedingungen im Ghetto

Die Büros des Judenrats befanden sich in der Grzybowska Straße, im südlichen Teil des Ghettos. Jüdische Organisationen innerhalb des Ghettos versuchten, die Bedürfnisse der Bewohner zu erfüllen, die ums Überleben kämpften. Unter den im Ghetto aktiven Wohlfahrtsorganisationen befanden sich die jüdischen Selbsthilfeorganisationen, der polnische Dachverband für Waisenkinder und die Organisation für landwirtschaftliche und handwerkliche Arbeit (World ORT Union). Bis Ende 1941 vom in New York ansässigen amerikanisch-jüdischen Joint Distribution Committee finanziert, versuchten diese Organisationen, eine Bevölkerung am Leben zu erhalten, die massiv unter Hunger, Entbehrung und Infektionskrankheiten zu leiden hatte.

„Der Hunger im Ghetto war so groß, so schlimm, dass die Menschen sterbend auf den Straßen lagen, kleine Kinder gingen umher und bettelten ...“
Abraham Lewent

Die Lebensmittelrationen, die dem Ghetto von den deutschen Behörden zugeteilt wurden, waren nicht ausreichend, um die Menschen am Leben zu erhalten. 1941 mussten Juden im Schnitt mit 1.125 Kalorien pro Tag auskommen. Am 8. Mai 1941 schrieb Czerniaków in sein Tagebuch: „Kinder sterben an Hunger.“ Zwischen 1940 und Mitte 1942 starben 83.000 Juden an Unterernährung und Krankheiten. Das Hineinschmuggeln von Lebensmitteln und Arzneimitteln in das Ghetto war weit verbreitet und ergänzte die miserablen offiziellen Rationen und verhinderte so, dass die Sterberate noch höher ausfiel.

Dokumentation des Lebens im Ghetto

Emanuel Ringelblum, ein Warschauer Historiker und wichtiger Aktivist in der jüdischen Selbsthilfe, gründete eine Untergrundorganisation, deren Ziel darin bestand, genaue Aufzeichnungen der Ereignisse im besetzten Polen zur Zeit des Ghettos bereitzustellen. Diese Aufzeichnungen wurden als „Oneg Schabbat“ (Freude am Sabbat) oder auch als Ringelblum-Archiv bekannt. Das Ringelblum-Archiv konnte nach dem Krieg nur teilweise gerettet werden. Es ist bis heute eine unschätzbar wertvolle Quelle, die das Leben im Ghetto und die deutsche Politik gegenüber den Juden in Polen aus erster Hand beschreibt.

Deportationen und Aufstand

Vom 22. Juli bis 21. September 1942 führten deutsche SS- und Polizeieinheiten mit der Unterstützung von Hilfskräften Massendeportationen vom Warschauer Ghetto in das 84 Kilometer entfernte Vernichtungslager Treblinka durch. In diesem Zeitraum deportierten die Deutschen rund 265.000 Juden von Warschau nach Treblinka. Etwa 35.000 Juden wurden dabei innerhalb des Ghettos getötet. Als der Vorsitzende des Judenrats Czerniaków täglich Einwohner zur Deportation in die Vernichtungslager bereitstellen lassen sollte, beging er am 23. Juli 1942 Selbstmord.

Vladka gehörte der Jugendorganisation Tsukunft des Allgemeinen jüdischen Arbeiterbunds an. Sie war Mitglied der jüdischen Kampforganisation (Żydowska Organizacja Bojowa, ŻOB) und im Widerstand im Warschauer Ghetto aktiv. Im Dezember 1942 wurde sie in die „arische“ Seite von Warschau geschleust, wo sie Waffen besorgen und Verstecke für Kinder und Erwachsene erkunden sollte. Sie war aktive Kurierin für den jüdischen Untergrund sowie für Juden in Lagern, Wäldern und anderen Ghettos.

Nachweise:
  • US Holocaust Memorial Museum Collection

Im Januar 1943 kehrten SS- und Polizeieinheiten zurück nach Warschau, diesmal mit der Absicht, Tausende der noch verbleibenden rund 60.000 Juden des Ghettos in Zwangsarbeitslager in den Distrikt Lublin des Generalgouvernements zu deportieren. Diesmal jedoch widersetzten sich zahlreiche Juden der Deportation, die verständlicherweise davon ausgehen mussten, dass sie von SS und Polizei in das Vernichtungslager Treblinka gebracht werden sollten. Einige Juden verfügten über kleinere Waffen, die in das Ghetto hineingeschmuggelt worden waren. Nachdem sie etwa 5.000 Juden in Gewahrsam genommen hatten, stoppten SS und Polizei die Operation und zogen sich zurück.

Am 19. April 1943 erschien eine neue SS- und Polizeitruppe außerhalb der Ghettomauer und versuchte, das Ghetto aufzulösen und die verbleibenden Juden in Zwangsarbeiterlager in den Distrikt Lublin zu deportieren. Angespornt von der Jüdischen Kampforganisation Żydowska Organizacja Bojowa (ŻOB) leisteten Bewohner des Ghettos in den ersten zwei Tagen der Operation organisierten Widerstand. Es gelang ihnen zunächst, den gut bewaffneten und ausgerüsteten SS- und Polizeieinheiten Verluste zuzufügen. Bis zur Beendigung der Operation durch die Deutschen am 16. Mai widersetzten sie sich einzeln oder in kleineren Gruppen vier Wochen lang der Deportation. SS und Polizei deportierten etwa 42.000 Überlebende des Warschauer Ghettos, die sie während des Aufstands gefangen genommen hatten, in die Zwangsarbeiterlager Poniatowa und Trawniki sowie in das Konzentrationslager Lublin/Majdanek. Mindestens 7.000 Juden starben bei Kampfhandlungen oder in Verstecken im Ghetto, während SS und Polizei weitere 7.000 in das Vernichtungslager Treblinka deportierten.

Auch Monate nach Auflösung des Warschauer Ghettos versteckten sich vereinzelt Juden in den Ruinen und verübten sporadische Anschläge auf deutsche Polizeioffiziere auf Patrouille. Schätzungsweise bis zu 20.000 Warschauer Juden lebten nach der Auflösung des Ghettos weiterhin in Verstecken auf der sogenannten „arischen“ Seite von Warschau.

Das Kriegsende in Warschau

Am 1. August 1944 erhob sich die Polnische Heimatarmee (Armia Krajowa; AK), eine mit der polnischen Exilregierung verbündete Widerstandsgruppe im Untergrund, gegen die deutschen Besatzungsbehörden, um Warschau zu befreien. Obwohl sich sowjetische Truppen in der Nähe der Stadt befanden, weigerten sie sich, zur Unterstützung des Aufstands einzugreifen. Die Zivilbevölkerung der Stadt kämpfte an der Seite der Heimatarmee gegen das gut bewaffnete deutsche Militär. Die Deutschen schlugen den Aufstand schließlich nieder und machten das Zentrum der Stadt im Oktober 1944 dem Erdboden gleich. Die Deutschen behandelten die Zivilbevölkerung Warschaus mit äußerster Grausamkeit und deportierten sie in Konzentrations- und Zwangsarbeitslager. Zehntausende von Zivilisten starben beim Warschauer Aufstand, darunter eine unbekannte Zahl von Juden, die sich in der Stadt versteckt hielten oder im Aufstand kämpften. 

Die sowjetischen Truppen setzten ihre Offensive im Januar 1945 fort. Am 17. Januar rückten sie in das zerstörte Warschau ein. 

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