Von Sicherheitsmaßnahmen zum Massenmord

SS-Trupenführen eine Gruppe von Polen in einen Wald zur Hinrichtung

Sobald die Wehrmacht in ein Land einmarschierte, zogen die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD (Sicherheitsdienst, der Geheimdienst der SS) nach, um das neu eroberte Gebiet zu sichern. Zu ihren Aufgaben gehörten die Identifizierung und Neutralisierung potenzieller Widersacher der deutschen Herrschaft, die Einnahme strategisch wichtiger Stützpunkte, die Verhinderung von Sabotage, die Rekrutierung von Kollaborateuren sowie der Aufbau nachrichtendienstlicher Netzwerke. Als Deutschland im September 1939 Polen angriff, töteten die Einsatzgruppen auch Zivilisten, die als Feinde wahrgenommen wurden. Zusammen mit Einheiten der Waffen-SS, der Ordnungspolizei und örtlichen Kollaborateuren erschossen sie tausende von Juden und zehntausende von Angehörigen der polnischen Elite.

Mit Beginn von Hitlers sogenanntem „Vernichtungskrieg“ gegen die Sowjetunion im Juni 1941 nahmen die Massenmordeinsätze der Einsatzgruppen ein verheerendes Ausmaß an. Die wesentlichen Zielgruppen waren Funktionäre der kommunistischen Partei und des sowjetischen Staates, Roma und vor allem Juden jeden Alters und Geschlechts. Unter dem Deckmantel des Kriegs und unter dem Vorwand militärischer Notwendigkeit organisierten und unterstützten die Einsatzgruppen in den ersten neun Kriegsmonaten die Erschießung von mehr als einer halben Million Menschen, von denen die überwiegende Mehrheit Juden waren.

Die 3000 Angehörigen der vier Einsatzgruppen führten diese Tötungen jedoch nicht im Alleingang durch. Sie wurden unterstützt von Einheiten der Waffen-SS, der Ordnungspolizei, der Wehrmacht, von verbündeten rumänischen Streitkräften und ortsansässigen Kollaborateuren. Letztere halfen sowohl bei der Identifizierung der Opfer als auch bei deren Tötung. Viele der Täter und Opfer kannten sich als Nachbarn oder Kollegen. Im September 1941 wurden an zwei Tagen 33771 Juden in Babi Yar, einer Schlucht außerhalb von Kiew, erschossen. Durchgeführt wurde die Operation von einem kleinen Kommando der Einsatzgruppe C, in Zusammenarbeit mit größeren Einheiten der Waffen-SS, der Ordnungspolizei und ukrainischen Hilfstruppen. Nachdem besetzte Gebiete unter zivile Kontrolle gebracht worden waren, lösten stationäre Büros von SS und Polizei die Einsatzgruppen ab und setzten die Massenerschießungen fort. 

Derartige Massaker wurden oft als „Aktion“ bezeichnet und begannen in der Regel damit, dass Juden und andere Opfer an einem zentralen Ort zusammengetrieben oder aufgefordert wurden, sich dort zu melden. Die Opfer mussten dann zum Erschießungsort marschieren oder wurde dorthin transportiert. Wenn nicht bereits ein Massengrab ausgehoben worden war, wurden die Opfer gezwungen, dieses selbst zu graben. Nachdem ihnen Kleider und Wertsachen abgenommen worden waren, wurden sie in Gruppen zur Grube gefahren. Die Einsatzgruppen und ihre Helfer erschossen die Opfer entweder am Rand der Grube, sodass sie hinein fielen, oder sie zwangen sie, sich in die Grube zu begeben, wo sie dann ebenfalls erschossen wurden. Viele mussten mit ansehen, wie Freunde und Familienangehörige starben, bevor sie selbst an der Reihe waren.

Eine neue Methode des Massenmords

Massaker der Einsatzgruppen in Osteuropa

Die Massenerschießungen waren ressourcenintensiv. Sie erforderten nicht nur zahlreiche Schützen und Begleittrupps, sondern auch ein hohes Maß an Waffen, Munition und Transportmitteln. Überlegungen hinsichtlich der Effizienz der Erschießungen und ihrer psychischen Auswirkungen auf die Täter führten schließlich zur Entwicklung so genannter Gaswagen. Herkömmliche Lastwagen waren so umgebaut worden, dass Kohlenmonoxid in abgedichtete Kabinen eingeleitet werden konnte. Die Opfer wurden darin verfrachtet und erstickten während der Fahrt zum Massengrab infolge der Gaseinleitung.

Die Methode mit dem Gaswagen nahm jedoch bei größeren Gruppen von Opfern sehr viel mehr Zeit in Anspruch. So mussten unter anderem die Leichen beseitigt und die Kabinen gereinigt werden. Massenerschießungen blieben daher während der gesamten Besetzung der eroberten sowjetischen Gebiete die bevorzugte Methode der Deutschen zur Ermordung von Juden. Mindestens 1,5 Millionen und möglicherweise mehr als 2 Millionen Holocaustopfer starben bei Massenerschießungen oder in Gaswagen auf sowjetischem Gebiet.