Zwischen dem 11. und 13. März 1938 annektierte Deutschland das Nachbarland Österreich. Dieses Ereignis wird auch als „Anschluss“ bezeichnet. 

Mit der Eingliederung Österreichs verstießen die Nazis gegen den Vertrag von Versailles und den Vertrag von Saint-Germain. In beiden Verträgen war die Vereinigung zwischen Österreich und Deutschland ausdrücklich untersagt. Die Angliederung war klarer Ausdruck dafür, dass die Deutschen die nach dem 1. Weltkrieg in Europa etablierte Ordnung nicht akzeptierten. Sie kennzeichnete den ersten Akt territorialer Expansion des NS-Staats.

Die anderen europäischen Länder gingen nicht gegen den Verstoß internationaler Abkommen vor. Diese Hinnahme stellte einen folgenschweren Akt der Beschwichtigung dar. Denn sie ermöglichte Adolf Hitler eine nahezu ungehinderte Fortsetzung seiner Expansionspolitik. 

Der „Anschluss“ hatte tiefgreifende Folgen für Österreich. Der Staat hörte nahezu über Nacht auf zu existieren. In den darauf folgenden Tagen, Wochen und Monaten führten österreichische und deutsche Nationalsozialisten eine Nazifizierung sämtlicher Aspekte des österreichischen Lebens durch. Viele Österreicher beteiligten sich bereitwillig an diesem Prozess. Nach der Annexion verfolgten die Österreicher die jüdische Bevölkerung des Landes. Sie führten die nationalsozialistische Politik aus und kämpften im Zweiten Weltkrieg. Zudem beteiligten sie sich am Massenmord an den europäischen Juden.

Die Annexion war nicht unvermeidbar, ebenso wenig wie die Nazifizierung Österreichs. Dennoch wurden diese Vorgänge durch gewisse historische Fakten und Ereignisse begünstigt.

Ethnisch Deutsche in Österreich 

Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg lebten in Österreich etwa 6,5 Millionen Menschen. Die meisten Österreicher betrachteten sich selbst als deutschstämmig. 

Zu der Zeit lebten Millionen Menschen, die sich als Deutsche verstanden, außerhalb Deutschlands. Viele von ihnen lebten in Gebieten des ehemaligen österreichisch-ungarischen Kaiserreichs.1 Österreich-Ungarn wurde 1918 mit dem Ende des Ersten Weltkriegs aufgelöst und durch neue Staaten ersetzt. Dazu gehörten Österreich, die Tschechoslowakei und Polen. Diese Länder beheimateten Millionen von Menschen, die sich als Deutsche betrachteten und deren Muttersprache Deutsch war. 

In den 1920er Jahren hielten es viele Österreicher für unwahrscheinlich, dass ihr Land wirtschaftlich ohne die Gebiete überleben könnte, die einst zu Österreich-Ungarn gehörten. Einige hofften, dieses Problem durch Wiedereinführen des Kaiserreichs in anderer Form lösen zu können. Andere wiederum wünschten sich die Vereinigung mit Deutschland. Die Hoffnung auf eine solche Konstellation zwischen Österreich und Deutschland war nicht neu. Gespräche und Debatten über die Rolle Österreichs in einem deutschen Nationalstaat gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück. 

Die Friedensverträge, mit denen der Erste Weltkrieg formell beendet wurde, enthielten jedoch ein explizites Verbot einer solchen Vereinigung. Die führenden Staaten Europas befürchteten, dass Deutschland durch eine Vereinigung mit Österreich zu groß und einflussreich werden könnte. Die nachfolgenden internationalen Finanzabkommen verlangten ebenfalls die Unabhängigkeit Österreichs von Deutschland. 

Adolf Hitlers Pläne für Österreich

Hitler studiert seine Rede ein

Adolf Hitler und die Nationalsozialisten verfolgten die Absicht, die Aufteilung Europas, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg bestand, zu revidieren. Sie betrachteten die internationalen Grenzen innerhalb Europas als unfair und nicht rechtmäßig. Sie argumentierten, dass den Deutschen ihr Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen worden sei. Eine veränderte Festlegung der Grenzen Europas sollte den Nationalsozialisten die Erreichung zweier wesentlicher Ziele ermöglichen:

  • die Vereinigung aller Deutschen in einem nationalsozialistischen deutschen Reich
  • die Gewinnung von Lebensraum im Osten

Die Annexion Österreichs brachte die Nationalsozialisten ihrem ersten Ziel ein gutes Stück näher. 

Bereits in seinen ersten Schriftstücken und Reden brachte Adolf Hitler seine Forderung nach einer österreichisch-deutschen Vereinigung zum Ausdruck. Punkt 1 eines 1920 proklamierten Programms der Nationalsozialisten lautete: 

„Wir fordern den Zusammenschluß aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu einem Großdeutschland.“ 

In seiner Autobiografie und politischen Abhandlung Mein Kampf erläutert er seine Vision einer zukünftigen Beziehung zwischen Österreich und Deutschland. Darin heißt es:

„...die Wiedervereinigung [zwischen Deutschland und Österreich] ist eine Lebensaufgabe und muss mit allen Mitteln verfolgt werden! Deutschösterreich muss wieder zurück zum großen deutschen Mutterlande...gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich.“ 

Im Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt. Als Kanzler verfolgte er die klare Absicht, eine österreichisch-deutsche Vereinigung herbeizuführen. Deutschland war jedoch noch nicht imstande, die außenpolitischen Ziele Hitlers auf militärischer und diplomatischer Ebene durchzusetzen. Zunächst konzentrierten sich Hitler und die Nationalsozialisten auf die Errichtung der NS-Diktatur. Hinter den Kulissen jedoch begannen die Nazis fast unmittelbar nach der Machtübernahme mit der Planung von territorialer Expansion und Krieg in Europa. 

Aufstieg und Einfluss der österreichischen NS-Bewegung

Hitlers Absicht war es, seine Macht in Österreich über die österreichische nationalsozialistische Partei zu etablieren. In den späten 1920er und frühen 1930er Jahren jedoch war die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Österreichs eine schwache, zersplitterte und unbedeutende politische Gruppierung. Die Parteimitglieder waren uneins über ihre Beziehung zu Hitler und ihre deutschen Parteikollegen. 1931 erkannte jedoch der Großteil der österreichischen Nationalsozialisten Hitler als ihren Führer an. Hitler beauftragte einen deutschen Nationalsozialisten mit der Kontrolle der österreichischen Partei. 

In den Jahren 1931 und 1932 wuchs die Anhängerschaft der österreichischen Nationalsozialisten mit der zunehmenden Popularität Hitlers in Deutschland. Als Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, nahm seine Beliebtheit in ganz Österreich noch deutlicher zu. 

Bereits seit Jahren war die österreichische Politik durch interne Machtkämpfe und politische Gewalt gekennzeichnet. Der Aufstieg der Nationalsozialisten im Jahr 1933 führte zu einer weiteren Destabilisierung der Lage. Der österreichische Kanzler Engelbert Dollfuß nutzte die politische Krise zu einem Staatsstreich, um Österreich von einer demokratischen Republik zu einem rechts ausgerichteten autoritären Regime unter seiner Kontrolle zu transformieren. Diese Regierung wird auch als Ständestaat bezeichnet, als austrofaschistischer Staat oder als Dollfuß-Schuschnigg-Regime. Die Regierung Dollfuß war diplomatisch mit dem faschistischen Italien und dem autoritären Ungarn verbündet. 

Ebenso wie wie seine Verbündeten hatte sich Dollfuß in seinem Land die Zerschlagung der politischen Linken zum Ziel gesetzt. Dollfuß und die Austrofaschisten waren jedoch keine Nationalsozialisten.  

NS-Terrorkampagne in Österreich, 1933

Anfang Mai 1933 gingen die österreichischen Nationalsozialisten zu einer Propaganda- und Terrorkampagne über. Die Kampagne wurde von Deutschland unterstützt und finanziert. Ziel der Nazis war es, das Dollfuß-Regime zu untergraben, indem sie es als inkompetent darstellten. Sie inszenierten störende Proteste und lieferten sich Schlägereien mit politischen Gegnern und der Polizei. An öffentlichen Plätzen und in jüdischen Geschäften zündeten sie Sprengsätze und Tränengasbomben. 

Die Deutschen gaben vor, dass die österreichische Regierung die österreichischen Nationalsozialisten unfair behandele. Ende Mai 1933 verhängte die deutsche Regierung eine Wirtschaftssanktion gegen Österreich. Die sogenannte 1.000-Mark-Sperre sah vor, dass Deutsche, die nach Österreich reisen wollten, eine Zollgebühr von 1.000 Mark entrichten sollten. Dies brachte die Tourismusbranche Österreichs, die in hohem Maße von den Deutschen abhängig war, quasi zum Erliegen. 

Angesichts des Nazi-Terrors setzte die österreichische Regierung alles daran, ihre Macht und Souveränität zu wahren. Im Juni 1933 sprach das Dollfuß-Regime infolge eines tödlichen Bombenangriffs der Nationalsozialisten das Verbot der österreichischen NS-Partei und ihrer Gruppierungen aus. Damit war die NS-Bewegung in Österreich offiziell illegal. 

Die österreichischen Nationalsozialisten operierten jedoch trotzdem weiter. Viele fanden Wege, das Verbot zu umgehen. Tausende österreichische Nationalsozialisten gingen nach Deutschland, wo sie die paramilitärische Österreichische Legion gründeten. Die deutschen Nationalsozialisten übernahmen die militärische Ausbildung der Legion. So erlangten sie unmittelbar an der österreichisch-deutschen Grenze eine bedrohliche militärische Präsenz. 

Gescheiterter NS-Putschversuch in Österreich im Juli 1934

Am 25. Juli 1934 versuchten österreichische Nationalsozialisten, die österreichische Regierung zu stürzen. Zunächst brachten SS-Mitglieder in Wien das Kanzleramt, in dem das Kabinett tagte, unter ihre Kontrolle. Im Zuge der Kampfhandlungen wurde Kanzler Dollfuß erschossen. Eine andere Gruppe von Putschisten drang in die Wiener Senderäume der Radioanstalt ein und erzwang die Meldung über den Staatsstreich. Außerhalb Wiens lehnten sich weitere NS-Anhänger gegen die Regierung auf.

Die Mehrheit der Österreicher war jedoch regierungstreu und dem österreichischen Militär und der Polizei gelang es relativ schnell, den Umsturzversuch niederzuschlagen. Damit war der Putsch misslungen. Der italienische Diktator Benito Mussolini entsendete Truppen an die österreichisch-italienische Grenze, um die österreichische Souveränität zu verteidigen. Mussolini war mit Dollfuß befreundet und zeigte sich als sein Verbündeter entrüstet über den Putschversuch und die Ermordung. Österreich wurde zu einem wichtigen Streitpunkt zwischen den Italienern und den Deutschen.

Mittlerweile ist bekannt, dass Hitler den Staatsstreich angeordnet hatte, vermutlich im Juni 1934. Theodor Habicht, der von Hitler ernannte Leiter der österreichischen NS-Bewegung, hatte den Putsch zusammen mit den österreichischen Nationalsozialisten geplant. 

Als der Umsturzversuch fehlschlug, stritt Hitler jede Beteiligung ab. Das NS-Regime gab vor, dass es sich hierbei um einen außer Kontrolle geratenen Plan der österreichischen NS-Bewegung gehandelt habe. Das Ergebnis des Komplotts zeigte, dass die Nationalsozialisten noch Zeit brauchten, um Österreich unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie entschlossen sich zu einer langsameren Taktik, um ihr Ziel zu erreichen. 

Nach dem Tod von Dollfuß übernahm Kurt von Schuschnigg die Rolle des Kanzlers und Diktators in Österreich. Er setzte die autoritäre Politik seines Vorgängers in weiten Teilen fort. Die österreichische Regierung verhaftete Tausende österreichischer Nationalsozialisten, darunter zahlreiche Verschwörer.

Diplomatische Isolierung Österreichs

In der Zeit nach dem fehlgeschlagenen Putsch gaben die Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland Anlass für internationale Bedenken. Dies betraf insbesondere Italien und Mussolini, der Österreich anfangs als Puffer zwischen Italien und NS-Deutschland nutzte. In den Jahren 1935 und 1936 näherten sich das faschistische Italien und das deutsche NS-Regime jedoch allmählich an. Mussolini setzte Schuschnigg unter Druck, mit den Deutschen zu kooperieren. 

Im Winter 1937-1938 war Österreich diplomatisch isoliert und musste sich gegenüber einem zunehmend aggressiven NS-Deutschland behaupten. Die internationale Gemeinschaft zeigte wenig Interesse an der Wahrung der österreichischen Unabhängigkeit. Mittlerweile nahmen sowohl die Briten als auch die Franzosen eine österreichisch-deutsche Union als unvermeidbar hin. Mit der brutalen Unterdrückung der österreichischen Sozialdemokraten im Februar 1934 hatte sich das Dollfuß-Regime in Ländern wie Großbritannien oder Frankreich nicht gerade beliebt gemacht. Selbst Mussolini war kein zuverlässiger Garant mehr für die österreichische Unabhängigkeit. 

Der Anfang vom Ende: Das Berchtesgadener Abkommen, Februar 1938 

Am 12. Februar 1938 kam es zu einem Treffen auf dem Obersalzberg zwischen dem österreichischen Kanzler Schuschnigg und Hitler. Schuschnigg ging davon aus, dass es bei dem Treffen um die Spannungen zwischen beiden Ländern gehen würde. Hitlers Absicht war es hingegen, die vollständige Kontrolle über Österreich zu erlangen. Er diktierte Schuschnigg eine ganze Reihe von Forderungen, darunter Folgende: 

  • Die Außen- und Militärpolitik Österreichs sei mit der Deutschlands zu koordinieren.
  • Der österreichische Nationalsozialist Arthur Seyß-Inquart sollte die Zuständigkeit für Polizei- und Sicherheitsfragen erhalten.
  • Österreichische Nationalsozialisten, die von den Österreichern inhaftiert wurden, seien zu begnadigen.

Hitler nutzte die Anwesenheit mehrerer deutscher Generäle, um Schuschnigg einzuschüchtern. Schuschnigg gab schließlich nach und unterzeichnete das Abkommen. Dem Unterzeichnungsort entsprechend wird dieses Schriftstück auch als Berchtesgadener Abkommen bezeichnet. Es höhlte die österreichische Souveränität und Unabhängigkeit aus. 

Letzter Versuch Österreichs, seine Unabhängigkeit zu wahren

Am 9. März 1938 versuchte Kanzler Schuschnigg ein letztes Mal, die Unabhängigkeit Österreichs zu wahren. Er setzte eine Volksabstimmung für Sonntag, den 13. März 1938 an. 

Die Wähler wurden aufgerufen, sich für oder gegen die folgende Unabhängigkeitsforderung zu entscheiden: 

„Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich! Für Frieden und Arbeit und die Gleichberechtigung aller, die sich zu Volk und Vaterland bekennen.“ 

Am nächsten Tag wurde überall Propaganda betrieben, um die Wähler zu bewegen, sich für die Unabhängigkeit Österreichs auszusprechen. Selbst Straßen und Gehwege waren mit entsprechenden Aufrufen beschriftet. Schuschnigg wollte der internationalen Gemeinschaft mit der Volksabstimmung vor Augen führen, dass die Österreicher unabhängig bleiben wollten. Er prognostizierte, dass sich 65 % für die Unabhängigkeit und 35 % dagegen aussprechen würden. 

Hitler war wütend über die Volksabstimmung und entschied sich zu handeln. 

Zeitachse: Der Anschluss – 11.-13. März 1938

Der Anschluss wurde innerhalb von drei Tagen im März 1938 vollzogen. Wenngleich die Bedrohung Österreichs durch die Nationalsozialisten bereits seit Jahren bestand, waren die Menschen von den Ereignissen überrascht und nicht darauf vorbereitet. 

Freitag, 11. März 1938

Am 11. März stellte Hitler der österreichischen Regierung eine Reihe von Ultimaten:

  • Kanzler Schuschnigg muss die Volksabstimmung zurücknehmen.
  • Schuschnigg muss als Kanzler zurücktreten.
  • Der österreichische Präsident Wilhelm Miklas muss Arthur Seyß-Inquart zum neuen österreichischen Kanzler ernennen. 

Sollten die Forderungen nicht erfüllt werden, drohte Hitler mit dem Einmarsch in Österreich. Schuschnigg gab nach. Am Abend wurde im Radio die Absage der Volksabstimmung für ein unabhängiges Österreich bekannt gegeben. 

Kurz darauf, um 19:47 Uhr wandte sich Kanzler Schuschnigg in einer Radioansprache an die Bevölkerung. Unter dem Druck der Deutschen kündigte er seinen Rücktritt an. Schuschnigg wies die Bevölkerung und das Militär an, keinen Widerstand zu leisten, sollte die Wehrmacht in Österreich einmarschieren. Er war nicht bereit, für die österreichische Unabhängigkeit Krieg zu führen oder Blut zu vergießen.

Wenige Minuten nach dem Rücktritt Schuschniggs wurden Hakenkreuzflaggen gehisst und entsprechende Armbinden getragen. Die österreichischen Nationalsozialisten hatten nunmehr einen Freibrief für Gewalt gegen politische Gegner und Juden, ohne negative Folgen befürchten zu müssen. Sie übernahmen die Macht in öffentlichen Gebäuden und dominierten das Straßenbild mit Paraden, Sprechchören und Hitlergruß. 

Die österreichischen Nationalsozialisten übernahmen die Kontrolle über das Land, ohne auch nur eine Kugel abzufeuern. 

Juden, Linke und Schuschnigg-Anhänger versuchten panikartig, aus Österreich zu fliehen. Sie eilten an die Grenzen, in der Hoffnung, dass diese noch nicht geschlossen waren. Einigen gelang die Flucht, die meisten jedoch waren aufgrund der rasanten Nazifizierung des Landes eingeschlossen. Schuschnigg blieb in Wien, wo er unter Hausarrest gestellt wurde.

Samstag, 12. März 1938

Kurz nach Mitternacht am 12. März 1938 gab der österreichische Bundespräsident Wilhelm Miklas widerwillig der letzten Forderung Hitlers nach. Er ernannte Seyß-Inquart zum Kanzler Österreichs. Seyß-Inquart wiederum verkündete ein neues, mit NS-Mitgliedern besetztes Kabinett. Dieser innerösterreichische Machtwechsel kam unter dem Druck des deutschen NS-Regimes zustande. Das genügte Hitler jedoch nicht.

Obwohl die Österreicher alle seine Forderungen erfüllt hatten, marschierte die Wehrmacht gegen 5 Uhr morgens in Österreich ein. Statt auf bewaffneten Widerstand stießen die Truppen auf Jubel und Blumen. Die Österreicher bereiteten Hitler einen begeisterten Empfang als dieser sich zuerst nach Linz und dann nach Wien begab. 

Sonntag, 13. März 1938

Am 13. März unterzeichnete Kanzler Seyß-Inquart das Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich

Das Wort „Wiedervereinigung" war eine Fehlbezeichnung, da Österreich zuvor nie Teil des Deutschen Reichs war. Mit dem auch als „Anschlussgesetz" bezeichneten Gesetz wurde Österreich formell in Deutschland eingegliedert. Es verlieh der Annexion den Anschein von Rechtmäßigkeit. 

Österreich hatte seine Unabhängigkeit verloren. Österreich war nunmehr ein Land des Deutschen Reichs. Die Nationalsozialisten wollten sämtliche Spuren einer separaten österreichischen Identität beseitigen. Im Deutschen Reich wurde Österreich zunächst die neue Bezeichnung Ostmark gegeben. Mit der Abschaffung des Namens Österreich sollte das Land auch sprachlich von einem Reich zu einer Provinz degradiert werden. Durch nachfolgende Umstrukturierungen auf Verwaltungsebene wurden weitere Namen und Grenzen abgeändert. 1942 bezeichnete das NS-Regime das Gebiet offiziell als Alpen- und Donau-Reichsgaue.

Das Gesetz sah außerdem die Durchführung einer neuen Volksabstimmung infolge des „Anschlusses" vor. Diese wurde für den 10. April anberaumt.

Antisemitische Gewalt während des „Anschlusses"

Für die rund 200.000 Juden Österreichs stellte die Annexion einen drastischen Wendepunkt dar. 

In der Nacht vom 11. März und in den Wochen danach kam es im ganzen Land zu pogromartigen Gewaltakten. Die Juden wurden von österreichischen Nationalsozialisten und Mitläufern geschlagen, angegriffen und erniedrigt. Sie zwangen sie zum Reinigen öffentlicher Toiletten und Durchführen erniedrigender Tätigkeiten. Ins Visier genommen wurden vor allem praktizierende Juden. Zu den bekanntesten Erniedrigungen dieser Art gehörten die sogenannten „Reibpartien". Die Nazis zwangen die Juden in Wien, die Straßen zu reinigen, während die Menge über sie herzog. Sie sollten insbesondere die politischen Parolen der abgesagten Volksabstimmung Schuschniggs beseitigen. 

Schon bald waren auch Österreichs Juden den antisemitischen Gesetzen und Vorschriften ausgesetzt, mit denen bereits die deutschen Juden diskriminiert wurden. Viele beschlossen, Österreich zu verlassen. In Wien bildeten sich lange Warteschlangen vor den Konsulaten. 

NS-Propaganda und der „Anschluss"

Die Nationalsozialisten zelebrierten den „Anschluss" als Erfüllung des Schicksals des deutschen Volkes. Er wurde in Reden und Propagandaveranstaltungen ausgiebig verherrlicht. 

Am bekanntesten ist die Rede Hitlers, die er am 15. März auf dem Wiener Heldenplatz gehalten hat. In dieser Rede feierte das Regime die Annexion Österreichs. Film- und Bildmaterial der jubelnden Mengen wurden anschließend in der Wochenschau und in der Presse verbreitet. Mit der Begeisterung der Österreicher sollte der Nachweis erbracht werden, dass der „Anschluss" dem Wunsch der Bevölkerung entsprach und keine illegale Übernahme eines anderen Landes darstellte. Als Hitler nach Berlin zurückkehrte, wurde er als Held begrüßt.

Die Volksabstimmung am 10. April bot eine weitere Gelegenheit für Propaganda. Die offensive NS-Propaganda zur Unterstützung der Abstimmung mobilisierte verschiedenste österreichische Institutionen und öffentliche Personen. Dazu gehörten unter anderem Vertreter zweier Gruppen, die der NS-Bewegung sehr zurückhaltend gegenüberstanden: die österreichische Arbeiterklasse und die katholische Kirche. Das Ergebnis des Referendums schien zu belegen, dass etwa 99 Prozent der Österreicher für eine Vereinigung mit dem Deutschen Reich waren. Allerdings war es zwischen 300.000 und 400.000 österreichischen Bürgern verboten worden, sich an der Volksabstimmung zu beteiligen. Dazu gehörten Juden, Roma und politische Gegner. 

Unterstützung des „Anschlusses" in Österreich 

Zahlreiche Österreicher unterstützten die Nazifizierung ihres Landes. Österreichische Beamte, Soldaten und Polizeibeamte schworen einen neuen Eid auf Adolf Hitler. Dies erfolgte im Rahmen öffentlicher Feierlichkeiten, oft begleitet von Paraden. Viele Organisationen und Einrichtungen übernahmen nationalsozialistisches Gedankengut und setzten die NS-Politik bereitwillig um. Zahlreichen jüdischen Mitgliedern und Mitarbeitern wurde gekündigt. 

Kommunisten und Sozialdemokraten, also die politischen Gruppierungen, die sich am wahrscheinlichsten gegen die Nationalsozialisten auflehnten, waren im Vorfeld durch das Dollfuß-Schuschnigg-Regime außer Gefecht gesetzt worden. Zahlreiche Mitglieder dieser Bewegungen lebten bereits im Exil. Die in Österreich verbliebenen NS-Gegner bekamen die volle Härte von SS und Polizei zu spüren. Kurzerhand wurden auch in Österreich Gestapo-Standorte errichtet, um effektiv gegen politische Gegner vorzugehen.

Der „Anschluss" als erster Schritt von Hitlers Machtausdehnung in Europa 

Der „Anschluss" war der erste Akt territorialer Aggression und Expansion des NS-Regimes. Er kennzeichnete einen Wendepunkt in der Außenpolitik des Deutschen Reichs. Die internationale Gemeinschaft hatte nichts unternommen, um die Annexion zu verhindern. Auch wurde das Deutsche Reich nicht wegen der Verletzung internationaler Abkommen zur Rechenschaft gezogen. Der „Anschluss" ist insofern das erste und gleichzeitig signifikanteste Beispiel für die Duldung der aggressiven Außenpolitik Hitlers seitens der internationalen Gemeinschaft. 

Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich war ein klarer Verstoß gegen die internationale Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg. Nur sechs Monate später inszenierten die Nationalsozialisten eine Krise im Sudetenland, einer Region der Tschechoslowakei. Im September 1938 kamen hochrangige Vertreter aus Italien, Frankreich und Großbritannien in München zusammen, um die Angelegenheit mit Hitler zu besprechen. Sie beschwichtigten Hitler, indem sie die Region dem Deutschen Reich zusprachen. Bedingung hierfür war, dass der Rest der Tschechoslowakei unangetastet bleiben sollte. 

Im März 1939 brach das NS-Regime diese Vereinbarung, indem es tschechisches Gebiet besetzte, darunter auch Prag. Im September 1939 marschierte die Wehrmacht in Polen ein. Dieser Akt territorialer Aggression und Expansion war der Beginn des Zweiten Weltkriegs.