Einwanderung in die Vereinigten Staaten 1933-1941
Viele Menschen, die während der 1930er und 1940er Jahre vor Verfolgung flüchteten und auf der Suche nach einem Zufluchtsort waren, scheiterten an den restriktiven Einwanderungsquoten und den komplizierten und aufwändigen Visabedingungen der USA. Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten war gegen eine Lockerung der Einwanderungsbedingungen, sodass kaum politischer Handlungsdruck bestand, die Einwanderungspolitik zu ändern. Die damalige Politik war vielmehr auf die wirtschaftliche Lage und nationale Sicherheit ausgerichtet.
Wichtige Fakten
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Die restriktiven Einwanderungsgesetze der Vereinigten Staaten spiegelten das nationale Klima nach dem Ersten Weltkrieg wider, das von Isolationismus, Xenophobie, Antisemitismus, Rassismus und wirtschaftlicher Ungewissheit geprägt war.
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Zur Zeit des Nationalsozialismus gab es in den USA keine designierte Flüchtlingspolitik, sondern lediglich eine Einwanderungspolitik. Die Menschen, die auf der Flucht vor NS-Verfolgung waren, mussten einen bürokratischen und langsamen Einwanderungsprozess durchlaufen. Die Zahl der jährlich zugelassenen Einwanderer war durch feste Quoten geregelt.
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Wenngleich es zwischen 1933 und 1941 mindestens 110.000 jüdische Flüchtlingen gelang, aus den von den Nationalsozialisten besetzten Gebieten in die USA zu flüchten, blieben die Bemühungen Hunderttausender weiterer Bewerber ohne Erfolg.
Das Einwanderungsgesetz aus dem Jahr 1924
1924 verabschiedete der US-Kongress den Johnson-Reed Act, mit dem die amerikanischen Einwanderungsgesetze hinsichtlich der nationalen Herkunft der Antragsteller überarbeitet wurden. Das Gesetz legte Quoten und damit eine bestimmte Anzahl verfügbarer Visa je Land und Jahr fest. Die teils von amerikanischen Befürwortern der Eugenik inspirierten Quoten waren so kalkuliert, dass „erwünschte“ Einwanderer aus Nord- und Westeuropa bevorzugt wurden. Die Zahl der Einwanderer, die als „rassisch unerwünscht“ galten, wurde begrenzt, wozu auch Juden aus Süd- und Osteuropa gehörten. Vielen gebürtigen Asiaten und Afrikanern wurde die Einwanderung in die Vereinigten Staaten aufgrund ihrer ,,Rasse" verwehrt.
Die USA hatten weder eine dedizierte Flüchtlingspolitik noch wurden die Einwanderungsgesetze zwischen 1933 und 1941 überarbeitet oder angepasst. Der Johnson-Reed Act blieb bis 1965 in Kraft.
Potenzielle Einwanderer mussten sich für eines der ihrem Geburtsland zugeteilten Kontingente bewerben, wobei ihre Staatsangehörigkeit keine Rolle spielte. Nach Großbritannien war Deutschland mit 25.957 Visa das Land mit der zweithöchsten Zuteilung (nach der Zusammenführung der Quoten für Deutschland und Österreich durch Roosevelt infolge des Anschlusses waren es 27.370). Insgesamt wurden etwa 153.000 Visa vergeben.
Die Quoten waren die zulässige Obergrenze, nicht etwa ein Ziel, das die Mitarbeiter des Außenministeriums erreichen wollten. Ungenutzte Kontingente wurden nicht in das Folgejahr übertragen.
Anforderungen für die Einwanderung in die Vereinigten Staaten
Die meisten Migranten, die in die USA einreisen wollten, mussten zahlreiche verschiedene Dokumente vorlegen, um ein Visum zu erhalten, Deutschland zu verlassen und zu einem Abfahrtshafen in Europa zu reisen. Die Antragsteller registrierten sich zunächst beim Konsulat und wurden dann auf eine Warteliste gesetzt. Während der Wartezeit konnten sie die erforderlichen Papiere für das Visum beschaffen. Dazu gehörten Identitätsnachweise, polizeiliche Führungszeugnisse, Ausreise- und Durchreiseerlaubnisse sowie eine eidesstattliche Erklärung, welche die finanzielle Unabhängigkeit der Bewerber bescheinigte. Viele dieser Papiere, so auch das Visum selbst, unterlagen einem Ablaufdatum. Es mussten also alle Unterlagen gleichzeitig vorhanden sein.
1930, zu Beginn der Weltwirtschaftskrise, erteilte Präsident Herbert Hoover die Anweisung, Einwanderer abzulehnen, die „wahrscheinlich zu einer öffentlichen Last werden“ würden. Daraufhin gingen die Einwanderungszahlen drastisch zurück. Zwar lockerte Franklin D. Roosevelt die Anweisung, jedoch lehnten viele Amerikaner die Einwanderung weiterhin aus wirtschaftlichen Gründen ab. Sie argumentierten, Migranten würden ihnen die Arbeitsplätze „stehlen“. Migranten mussten deshalb einen amerikanischen Sponsor finden, der über ausreichend finanzielle Mittel verfügte und dafür bürgte, dass sie dem Staat nicht zur Last fallen würden. Für viele Migranten war diese Voraussetzung die größte Hürde im Visumprozess.
Zusätzlich mussten potenzielle Einwanderer ein gültiges Ticket für die Überfahrt mit dem Schiff vorweisen, bevor ihnen das Visum erteilt wurde. Seit dem Kriegsbeginn bestand die Gefahr, dass deutsche U-Boote auch Passagierschiffe angreifen würden, sodass die Überquerung des Atlantiks extrem riskant wurde. Viele Reedereien stellten den Betrieb ganz ein oder reduzierten zumindest die Anzahl der Passagierschiffe in die USA, wodurch es für Flüchtlinge noch schwieriger und noch teurer wurde, sich einen Platz für die Überfahrt zu sichern.
Wartelisten und Flüchtlingskrise
Als 1938 die Flüchtlingskrise begann, erschwerte die zunehmende Konkurrenz um verfügbare Visa, Bescheinigungen und Reiseoptionen die Einwanderung zusätzlich. Im Juni 1938 standen 139.163 Personen auf der Warteliste für das deutsche Visumkontingent. Ein Jahr später, im Juni 1939, waren es bereits 309.782. Jemand, der sich 1939 aus Ungarn um ein Einwanderungsvisum bewarb, musste mit 40 Jahren Wartezeit rechnen, um in die USA einwandern zu dürfen.
Im Quotenjahr 1939 wurde das deutsche Kontingent mit 27.370 erteilten Visa erstmals seit 1930 vollständig ausgeschöpft. Im Quotenjahr 1940 erhielten 27.355 Migranten ein Visum. Die 15 ungenutzten Visa dürften auf einen Verwaltungsfehler zurückgehen. Es ist schwierig, die genaue Zahl derer zu bestimmen, die Schutz vor der Verfolgung durch die Nazis suchten. Bis 1943 galt „Hebräisch“ als rassische Kategorie im US-Einwanderungsrecht. Zwischen 1939 und 1940 gaben mehr als 50 % der Einwanderer in die USA an, jüdisch zu sein. Die Zahl dürfte in der Realität jedoch höher gewesen sein, da einige Migranten sicherlich eine andere Kategorie angaben (z. B. „deutsch“) oder weil sie sich selbst nicht als jüdisch betrachteten, auch wenn die Nationalsozialisten sie als solche ansahen.
Die öffentliche Meinung über Flüchtlinge in den USA
Trotz der Notlage der Flüchtlinge war die amerikanische Öffentlichkeit gegen die Aufnahme weiterer Migranten. In einer Gallup-Umfrage vom 24./25. November 1938, also zwei Wochen nach dem Novemberpogrom, wurden die Amerikaner Folgendes gefragt: „Sollten wir eine größere Anzahl jüdischer Exilanten aus Deutschland in die Vereinigten Staaten aufnehmen?“ Darauf antworteten 72 % der Befragten mit „nein“.
Nach Kriegsbeginn in Europa im September 1939 und insbesondere nach der Invasion der Deutschen in westeuropäische Länder im Frühjahr 1940 glaubten viele Amerikaner, dass Deutschland und die Sowjetunion die jüdische Massenflucht dazu nutzen würden, Spione einzuschleusen. Das US-Außenministerium wies die Konsulate an, bei der Prüfung der Anwärter besonders gründlich vorzugehen. Im Juni 1941 gab das Außenministerium die sogenannte Verwandtenregelung heraus, der zufolge Visumanträge von Migranten abzulehnen waren, die noch enge Verwandte in den von den Nationalsozialisten besetzten Gebieten hatten.
Unterstützung für Flüchtlinge
Trotz der öffentlichen Antipathie gegen eine Überarbeitung der amerikanischen Einwanderungsgesetze setzen sich einige Privatpersonen und Flüchtlingshilfsorganisationen dafür ein, den vielen Tausenden zu helfen, die zu fliehen versuchten. Jüdische und christliche Organisationen stellten Gelder für Lebensmittel, Kleidung und Überfahrt bereit, kümmerten sich um Beschäftigungsmöglichkeiten, boten finanzielle Unterstützung an und waren bei der Beschaffung eidesstattlicher Erklärungen für potenzielle Einwanderer behilflich, die keine Familienangehörigen in den USA hatten. Diese privaten Organisationen ermöglichten Tausenden die Flucht, die andernfalls keine Möglichkeit gehabt hätten, die erforderlichen Unterlagen zu beschaffen und die Überfahrt zu finanzieren.
Gefangen auf NS-Territorium
Am 1. Juli 1941 konsolidierte das US-Außenministerium die gesamte Visaverwaltung in Washington DC. Dadurch mussten alle Antragsteller von einem Prüfungsausschuss eine Genehmigung erlangen und weitere Papiere vorlegen, darunter eine zweite eidesstattliche Erklärung über ihre finanzielle Unabhängigkeit. Gleichzeitig wies das NS-Regime die Vereinigten Staaten an, ihre Konsulate in allen von Deutschland besetzten Gebieten zu schließen. Nach Juli 1941 war die Auswanderung aus den von NS-Deutschland besetzten Gebieten nahezu unmöglich.
Zwischen 1938 und 1941 wanderten 123.868 nach eigenen Angaben jüdische Flüchtlinge in die USA ein. Viele Hunderttausende mehr hatten sich bei den amerikanischen Konsulaten in Europa um ein Visum bemüht, jedoch blieb ihnen die Einwanderung verwehrt. Viele von ihnen waren auf NS-Territorium gefangen und wurden zu Opfern des Holocaust.