Forced labor at a Siemens factory

Die Rolle der Wirtschaftselite

Die Verfolgung der Juden und anderer Gruppen ist nicht nur auf Maßnahmen von Hitler selbst und anderen NS-Fanatikern zurückzuführen. Das NS-Regime war auf die aktive Unterstützung bzw. Kooperation verschiedener Berufsgruppen angewiesen, deren Vertreter oft keine überzeugten Nationalsozialisten waren. Dazu gehörten auch Führungspersonen in der Wirtschaft. 

Unternehmer, die auf Gewinne und insbesondere den Fortbestand ihrer Unternehmen fokussiert waren, machten sich insofern an der Verfolgung der Juden mitschuldig, als sie die Entlassung jüdischer Direktoren und Mitarbeiter sowie die „Arisierung“ jüdischer Geschäfte aktiv unterstützten oder hinnahmen oder indem sie während des Kriegs von Zwangsarbeit profitierten.

Boycott poster. Berlin, Germany, April 1, 1933.

Ein Boykottschild an Schaufensterscheiben eines jüdischen Geschäfts mit der Aufschrift: "Deutsche, verteidigt euch gegen die jüdische Greuelpropaganda, kauft nur bei Deutschen!" Berlin, 1. April 1933. 

Nachweise:
  • Bayerische Staatsbibliothek München

Verantwortliche aus Banken, Versicherungen, Gewerbe und Industrie waren an der Judenverfolgung beteiligt. Viele von ihnen übernahmen Aufgaben im Rahmen der „Arisierung“ der deutschen Wirtschaft, unterstützten die Enteignung von Juden oder profitierten während des Kriegs von Zwangsarbeit.

Zunächst waren deutsche Großbanken und Unternehmen in manchen Fällen gegen eine „Arisierung“. Dies geschah jedoch oft aus Eigeninteresse, etwa, um kompetente Mitarbeiter zu behalten. Bis zum Jahr 1937 fügten sich jedoch die meisten dem Gesetz, das die Entlassung jüdischer Führungskräfte, Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter verlangte. Zum Teil versetzten einige Banken ihre jüdischen Führungskräfte in ausländische Niederlassungen. Großbanken waren auch an der „Arisierung“ größerer jüdischer Unternehmen oder Import-/Exportgeschäfte beteiligt, deren Eigentumstransfer sie abwickelten.

Es gab jedoch einen gewissen Handlungsspielraum und nicht alle Banken verhielten sich skrupellos. Einige Banken wollten verhindern, dass „arisierte“ Banken und andere Unternehmen in inkompetente Hände gerieten und übertrugen deshalb das Eigentum nicht immer dem Niedrigstbietenden. Dies hatte zur Folge, dass einige jüdische Besitzer eine angemessenere Entschädigung erhielten. Dennoch stand die Motivation, Gewinne zu maximieren oder die langfristige Stärke und das Überleben einer Bank oder eines Unternehmens zu sichern, oft mehr im Vordergrund als die Vorurteile gegen Juden, die viele deutsche Geschäftsleute hatten.

Während des Krieges waren insbesondere Unternehmen in Privatbesitz durch die Inanspruchnahme von Zwangsarbeit in die Verbrechen des Holocaust verwickelt. Etwa eine halbe Million Juden starben infolge von Zwangsarbeit. Eines der größten deutschen Unternehmen, die I. G. Farben, beschäftigte in seinem Werk für synthetische Treibstoffe und Kautschuk in der Nähe von Auschwitz bis zu 35.000 Gefangene. Mindestens 27.000 von ihnen, meist Juden, starben infolge der harten Arbeitsbedingungen. Das Unternehmen Hugo Scheider setzte im besetzten Polen Zwangsarbeiter in einer Munitionsfabrik ein. Etwa vier Fünftel der 25.000 Juden, die insgesamt im Werk in Skarzysko-Kamienna gearbeitet hatten, starben infolge der gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen.

Andere deutsche Firmen erzeugten Produkte, die zum Massenmord verwendet wurden, darunter das von Degussa hergestellte Pestizid Zyklon B und die Krematorienöfen von Topf & Söhne. Nach dem Krieg distanzierten sich die Direktoren dieser Unternehmen von den Verbrechen und behaupteten, nichts vom Verwendungszweck ihrer Produkte gewusst zu haben. 

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