An aerial photograph of Babi Yar taken by the German air force.

Massenerschießungen in Babi Yar

Ende September 1941 verübten SS- und Polizeieinheiten sowie ihre Hilfstrupps eines der größten Massaker des Zweiten Weltkriegs. Es fand in der Schlucht von Babi Yar unweit der ukrainischen Hauptstadt Kiew statt.

Wichtige Fakten

  • 1

    Babi Yar bei Kiew war Schauplatz einer der größten Massenerschießungen von Juden in dem von den Deutschen besetzten Europa. Das Massaker wurde am 29. und 30. September 1941 verübt.

  • 2

    Die Deutschen führten die Massenmorde an dieser Tötungsstätte fort, bis die Sowjets 1943 die Kontrolle über Kiew zurückeroberten. In dieser Zeit fielen den Deutschen nicht nur Juden, sondern auch Roma, ukrainische Zivilisten und sowjetische Kriegsgefangene zum Opfer.

  • 3

    In den Jahrzehnten nach dem Krieg wurde Babi Yar zum Symbol für die umstrittene Erinnerungspolitik an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und den Holocaust in der Sowjetunion.

Am 19. September 1941 überfiel die Wehrmacht die Stadt Kiew, Hauptstadt der Ukraine. Zusammen mit einem Großteil der von den Deutschen besetzten Ukraine wurde die Stadt in das „Reichskommissariat Ukraine" eingegliedert, das am 1. September unter der Leitung von Erich Koch als Reichskommissar errichtet wurde.

Vor der deutschen Invasion lebten etwa 160.000 Juden in Kiew. Dies waren rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung der Stadt. Nach dem Start des „Unternehmens Barbarossa“ im Juni 1941 flohen zirka 100.000 Juden aus Kiew oder dienten bereits im sowjetischen Militär. Als die Deutschen nach Kiew kamen, lebten noch um die 60.000 Juden in der Stadt. Die meisten von ihnen hatten nicht fliehen können oder wollen. Dies betraf insbesondere Frauen, Kinder, Alte und Kranke.

German infantry during the invasion of the Soviet Union in 1941.

Deutsche Infanterie während des Angriffs auf die Sowjetunion 1941.

Nachweise:
  • US Holocaust Memorial Museum, courtesy of Philipp Merillat

Das Massaker von Babi Yar (29.-30. September 1941)

Während der ersten Woche der Besatzung Kiews durch die Deutschen kam es zu zwei größeren Explosionen. Durch sie wurden das deutsche Hauptquartier und Bereiche an der Hauptverkehrsstraße (Khreshchatyk) der Innenstadt zerstört. Bei den Detonationen kamen zahlreiche deutsche Soldaten und Beamte ums Leben. Obwohl die Explosionen auf Sprengsätze zurückzuführen waren, die von sowjetischen Soldaten auf dem Rückzug zurückgelassen worden waren, nutzen die Deutschen den Sabotageakt als Vorwand, um die noch in Kiew verbliebenen Juden zu ermorden. 

Unter der Leitung der Einsatzgruppe C ermordeten SS- und Polizeieinheiten sowie ihre Hilfstrupps am 29. und 30. September 1941 einen großen Teil der in Kiew verbliebenen jüdischen Bevölkerung. Ort des Massakers war die Schlucht Babi Yar (andere Schreibweisen sind Babyn Jar oder Babi Jar). Zum damaligen Zeitpunkt lag die Schlucht nahe der Stadtgrenze. 

Die Opfer mussten zum Erschießungsort marschieren, sich entkleiden und in die Schlucht hinabsteigen. Dort wurden sie in kleinen Gruppen vom Sonderkommando 4a, einer Sondereinheit der Einsatzgruppe C, unter der Leitung von SS-Standartenführer Paul Blobel erschossen. Wie Berichten an das Hauptquartier der Einsatzgruppen in Berlin zu entnehmen war, wurden an diesen zwei Tagen 33.771 Juden hingerichtet. 

Das Massaker von Babi Yar war eine von vielen Massenerschießungen, die von den Nazis ab 1941 durchgeführt wurden. Es gehört zu den Massenerschießungen während des Zweiten Weltkriegs, bei denen die meisten Opfer an ein und demselben Ort ermordet wurden. 

Weitere Massenerschießungen in Babi Yar (1941-1943)

Nach dem Massaker im September 1941 diente die Schlucht von Babi Yar den Nazis weitere zwei Jahre als Tötungsstätte. Die in Kiew stationierten Deutschen ermordeten dort Tausende von Menschen, darunter Juden und Nichtjuden. Unter den weiteren Opfern befanden sich Patienten einer örtlichen psychiatrischen Einrichtung, Roma, sowjetische Kriegsgefangene und Zivilisten.  

Die Tötungen in Babi Yar wurden bis in den Herbst 1943 hinein fortgesetzt, kurz bevor die Sowjets Kiew am 6. November erneut unter ihre Kontrolle brachten.

Schätzungen zufolge wurden etwa 100.000 jüdische und nichtjüdische Menschen in Babi Yar ermordet.

Verschleierungsversuche (August 1943)

Als die Rote Armee im August 1943 immer näher an Kiew heranrückte, versuchten die Nazis, die Spuren ihrer Verbrechen in Babi Yar zu verwischen. Dazu wurden Gefangene des Konzentrationslagers Syrez herangezogen, das sich in unmittelbarer Nähe der Tötungsstätte von Babi Yar befand. Das Konzentrationslager Syrez war im Mai 1942 von den Deutschen errichtet worden und diente der Internierung sowjetischer Kriegsgefangener, Partisanen und der Juden, die die Massenerschießungen Ende September 1941 überlebt hatten.

Um die Massenerschießungen zu verschleiern, wurden 321 Gefangene des Lagers Syrez damit beauftragt, die Massengräber wieder zu öffnen und die sterblichen Überreste der Opfer zu verbrennen. Achtzehn Insassen, denen es gelungen war, zu flüchten und sich zu verstecken, haben den sowjetischen Behörden im November 1943 von den Verbrechen berichtet.

Gerichtliche Verfolgung nach dem Krieg

Im Januar 1946 wurden 15 Mitglieder deutscher Polizeieinheiten in Kiew wegen der Verbrechen in Babi Yar angeklagt. Dina Pronicheva, jüdische Überlebende des Massakers im September 1941, sagte vor einem sowjetischen Gericht aus. In einer ihrer schriftlichen Aussagen, die sie nach Kriegsende machte, beschrieb Pronicheva, was sie in Babi Yar erlebt hatte:

Ich sah immer wieder neue Gruppen von Männern, Frauen, älteren Menschen und Kindern, die gezwungen wurden, ihre Kleidung auszuziehen. Sie wurden alle zu einer offenen Grube geführt, wo sie mit Maschinenpistolen erschossen wurden. Dann wurde eine weitere Gruppe gebracht ... Ich habe dieses Grauen mit eigenen Augen gesehen. Obwohl ich nicht in der Nähe der Grube stand, erreichten mich panische Schreie von Menschen und leise Kinderstimmen, die „Mama, Mama ...“ riefen.

1947 musste sich Paul Blobel vor dem amerikanischen Militärgericht in Nürnberg verantworten. Er war Kommandant des Sonderkommandos 4a, der Einheit der Einsatzgruppe, die für das Massaker in Babi Yar im September 1941 verantwortlich war. Blobel war einer von 24 Angeklagten im Einsatzgruppen-Prozess und plädierte auf „nicht schuldig". Sein Verteidiger argumentierte, er habe lediglich Befehle ausgeführt. Blobel wurde dennoch für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Am 8. Juni 1951 wurde er im Gefängnis Landsberg gehängt.

Im Jahr 1959 wurde Erich Koch, ehemaliger Reichskommissar in der Ukraine, vor ein polnisches Gericht gestellt und für Verbrechen, die während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Polen begangen wurden, zum Tode verurteilt. Für die in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen wurde er nie angeklagt oder verurteilt. Aus gesundheitlichen Gründen wurde die Todesstrafe Kochs in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Am 12. November 1986 starb er in seiner Gefängniszelle im polnischen Barczewo eines natürlichen Todes. 

Gedenken nach dem Krieg

In den Jahrzehnten nach dem Krieg wurde Babi Yar zum Symbol für die umstrittene Erinnerungspolitik an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts in der Sowjetunion. Trotz zahlreicher Bemühungen wurde an dem Ort erst 1976 ein Denkmal durch die Sowjets errichtet. Der Text auf dem Denkmal nahm Bezug auf Tausende ziviler Opfer, ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich mehrheitlich um Juden handelte und verschwieg somit, dass Babi Yar ein Schauplatz des Judenmords war.

Als sich die Sowjetunion im Anschluss an die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine im August 1991 auflöste, wurde am 29. September, 50 Jahre nach dem Massaker, ein Denkmal in Form einer Menora für die jüdischen Opfer von Babi Yar errichtet.   

Fußnoten

  1. Footnote reference1.

    Auszug aus der Zeugenaussage von Dina Pronicheva über die Vernichtung der Juden in Babi Yar am 29. und 30. September 1941 der Gedenkstätte Yad Vashem Schriftliche Zeugenaussagen. Ursprünglich veröffentlicht von Yitzhak Arad in The Destruction of the Jews of the USSR during the German Occupation (1941-1944), Jerusalem 1991, Seiten 107-111 (auf Russisch).

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