Überlebende des Holocaust und Gründung des Staates Israel (14. Mai 1948)
Nach dem Holocaust hatten die meisten Überlebenden das Gefühl, dass es für Juden in Europa keine Zukunft mehr gäbe. Sie wünschten sich ein Heimatland, in dem Juden keine schwache Minderheit mehr wären. Die Hoffnungen erfüllten sich mit der Gründung des modernen Staates Israel am 14. Mai 1948. Über Jahrtausende hinweg hatten Juden historische und religiöse Verbindungen zum Land Israel.
Wichtige Fakten
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Bereits viele Jahrhunderte vor dem Holocaust waren Juden in Europa antisemitischer Verfolgung und oft auch tödlicher Gewalt ausgesetzt. Die zionistische Bewegung wurde zum Teil als Reaktion auf die Judenfeindlichkeit im 19. Jahrhundert geschaffen, mehrere Jahrzehnte vor dem Holocaust.
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Während des Holocaust versuchten viele Juden verzweifelt, Europa zu verlassen. Die Einwanderung in Länder wie die USA oder das britisch kontrollierte Mandatsgebiet Palästina war jedoch stark eingeschränkt.
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Ab Mai 1948 begannen Zehntausende Überlebende des Holocaust, sich im neu errichteten Staat Israel ein neues Leben aufzubauen.
Bereits vor dem Holocaust waren die europäischen Juden viele Jahrhunderte lang Antisemitismus ausgesetzt gewesen. Regierungen und Kirchen in ganz Europa erließen zahlreiche Verbote für Juden. Ihnen war es beispielsweise verboten, Land zu besitzen und sie durften ihren Wohnort oder Beruf nicht frei wählen. Es gab Zeiten, in denen sie sogar verpflichtet waren, Abzeichen zu tragen, die sie als soziale Außenseiter kennzeichneten.
Die lange Geschichte der Ausgrenzung und Verfolgung führte bei vielen Juden zu der Überzeugung, dass ein gemeinschaftliches jüdisches Leben nur durch Schaffung eines Heimatstaates im Land Israel eine Zukunft haben könne. Ende des 19. Jahrhunderts entstand eine neue jüdische politische Bewegung, die für dieses Ziel eintrat – der Zionismus. In Europa gewann die zionistische Bewegung nach dem Ersten Weltkrieg an Zulauf, nachdem neue judenfeindliche Bewegungen und politische Maßnahmen ihre Verfolgung verschärft hatten.
Während des Holocaust wurden sechs Millionen jüdische Männer, Frauen und Kinder von den Nazis, ihren Verbündeten und ihren Kollaborateuren ermordet. Sie zerstörten über Jahrhunderte andauerndes jüdisches Leben in Europa und Tausende jüdischer Gemeinden.
Die Erfahrung dieses Völkermords überzeugte viele Überlebende des Holocaust und andere Juden davon, dass Juden ihren eigenen Staat benötigten, in dem sie sicher und unabhängig leben könnten. Die Unterstützung des Zionismus unter den Überlebenden des Holocaust, internationalen Fürsprechern und anderen nahm zu. Als der Staat Israel im Mai 1948 gegründet wurde, sahen viele Überlebende des Holocaust in ihm eine Heimat, in der sie keine schwache Minderheit mehr wären.
Jüdische Reaktionen auf Antisemitismus in den Jahrzehnten vor dem Holocaust
Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten sich in Europa neue Formen von Antisemitismus. In dieser Zeit vermischten sich fest etablierte Vorurteile von Christen gegen Juden mit neueren, rassistisch, nationalistisch und ethnisch motivierten Formen von Hass. In vielen Ländern bedienten sich Antisemiten der Massenmedien, um antisemitische Verschwörungstheorien und andere Lügen über Juden zu verbreiten. Sie fachten Hass an und nutzten die Ängste und Vorurteile der Menschen aus. Neue politische Bewegungen führten ihre Kampagnen mit offen antijüdischen Positionen. Die meisten nationalistischen Bewegungen in Europa porträtierten Juden als Randgruppe, die nicht zur Gesellschaft dazugehörte. Im Russischen Kaiserreich richteten sich mehrere Wellen gewalttätiger und tödlicher Pogrome gegen jüdische Gemeinden.
In ganz Europa sahen sich Juden mit der Frage konfrontiert, wie sie mit dem Antisemitismus umgehen und gleichzeitig ein aktives jüdisches Gemeindeleben führen könnten. Sie führten heftige Debatten darüber, wie sich religiöse jüdische Traditionen mit modernem Leben vereinbaren ließen. Sie diskutierten darüber, ob sich Juden assimilieren oder modernisieren sollten und welche Sprache Juden als Zeichen ihrer Identität sprechen sollten. Angesichts der weit verbreiteten Armut und gewaltsamen Bedrohung in Europa sahen einige die beste Option in der Auswanderung in die Vereinigten Staaten oder andere Länder.
Aus dem Zusammenspiel all dieser Umstände entstand schließlich der moderne Zionismus. Diese politische Bewegung befürwortete einen autonomen jüdischen Staat in Israel. Der Name „Zion“ stammt aus der Hebräischen Bibel und bezeichnet Israel. Der moderne Zionismus baute auf Jahrhunderten jüdischer Geschichte im Land Israel auf, in dem Juden über mehr als 4.000 Jahre ununterbrochen gelebt hatten. Das Land Israel war von jeher zentraler Fokus im Judaismus und in der Hebräischen Bibel.
Somit war der Zionismus gleichzeitig alt und neu. Einerseits entsprang er antiken religiösen und geschichtlichen Verbindungen zwischen Juden und dem Land Israel. Andererseits war der Zionismus auch eine moderne politische Bewegung und eine Reaktion auf zunehmenden Antisemitismus. Teilweise war er von Ideen und Konzepten inspiriert, die Ende des 19. Jahrhunderts in Europa vorherrschten. Dazu gehörte auch der auf ethnischer Herkunft gründende Nationalismus.
Theodor Herzl und der erste Zionistenkongress
Die moderne zionistische Bewegung entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts und wurde von Theodor Herzl begründet.
Herzl war ein jüdischer Anwalt und Journalist aus dem Kaiserreich Österreich-Ungarn. Seine Erfahrungen mit dem überall in Europa vorherrschenden Antisemitismus veranlassten ihn zur Gründung der zionistischen Bewegung. Herzl war als Auslandskorrespondent einer führenden Wiener Zeitung nach Paris gegangen und schrieb 1894 über den sogenannten Dreyfus-Prozess. Alfred Dreyfus war ein französischer, jüdischer Militäroffizier. Er war Zielscheibe judenfeindlicher Vorurteile und wurde zu Unrecht wegen Spionage verurteilt. Der Prozess spielte falschen Darstellungen über Juden in die Hände, die sie als intrigante Außenseiter darstellten. Im Jahr 1897 erlebte Herzl mit, wie der offen antisemitische Politiker Karl Lueger zum Bürgermeister von Wien gewählt wurde.
Herzl sprach sich dafür aus, dass Juden ihren eigenen autonomen, selbstregierten Staat gründen müssten. Er war der Ansicht, dass Juden in ihr geschichtliches Heimatland Israel zurückkehren sollten, statt weiterhin als schwache Minderheit in Europa zu leben.
1897 berief Herzl den ersten Zionistenkongress ein. Während dieser Konferenz sprachen sich die Teilnehmer dafür aus, eine „öffentlich-rechtlich gesicherte Heimstätte“ in Palästina zu schaffen. Damals gehörte dieses Gebiet zum Osmanischen Reich. Die Bezeichnung Palästina reicht zurück in das Altertum und die byzantinische Zeit. Herzl und seine Mitstreiter hofften auf den Zuspruch internationaler Staatsoberhäupter, darunter auch des osmanischen Sultans.
Hunderttausende Juden in Europa und anderen Gebieten wurden zu aktiven Zionisten, die sich auf ein Leben in Israel vorbereiten wollten. Die zionistische Bewegung plädierte dafür, dass Juden im Alltag hebräisch sprechen sollten. Es wurden hebräischsprachige Schulen und Zeitungen gegründet. Auch zionistische Jugendgruppen und Sportvereine waren in ganz Europa beliebt. Die zionistische Bewegung ermutigte Juden, sich im Ackerbau, Handwerk und auf anderen Gebieten zu bilden und sich Fähigkeiten anzueignen, die sie später in ihrer zukünftigen Heimat einbringen könnten.
Entstehung des Mandats für Palästina nach dem Ersten Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg (1914–1918) veränderte die Staatsgrenzen in Europa, im Nahen Osten und darüber hinaus drastisch. Das Osmanische Reich trat dem Krieg als Unterstützer der Mittelmächte bei. Es kämpfte an der Seite von Deutschland, Bulgarien und Österreich-Ungarn. Die Mittelmächte kämpften unter anderem gegen Großbritannien, Frankreich und das Russische Reich.
Die Zukunft des Osmanischen Reiches wurde bereits während des Kriegs debattiert. Vielen internationalen Beobachtern war bewusst, dass das Osmanische Reich vor seinem Ende stand. Ebenfalls deutlich war, dass verschiedene Länder und Gruppierungen darauf hofften, die Kontrolle über das osmanische Gebiet im Nahen Osten zu erhalten. Die britische Regierung und andere Mächte trafen mehrere Abkommen und formulierten Erklärungen hinsichtlich des zukünftigen Status des osmanischen Gebiets. Dazu gehörte auch die Balfour-Deklaration, eine von den Briten 1917 erklärte Zusicherung. Die Balfour-Deklaration unterstützte die Errichtung einer „nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes“ in Palästina.
Nachdem der Erste Weltkrieg zum Zusammenbruch des Osmanischen Reichs geführt hatte, wurden zwei Völkerbundsmandate erteilt, um das ehemalige osmanische Gebiet im Nahen Osten zu regieren. Dabei handelte es sich zum einen um das „Mandat für Syrien und den Libanon“ und zum anderen um das „Mandat für Palästina“. Großbritannien erhielt die administrative Kontrolle über das palästinensische Mandatsgebiet. In der Mandatsvereinbarung war festgelegt, dass die britischen Behörden für die Umsetzung der Zusagen der Balfour-Deklaration verantwortlich seien. In dem Gebiet gab es drei Amtssprachen: Englisch, Arabisch und Hebräisch.
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg stießen antisemitische Hassbotschaften zahlreicher politischer Parteien in Europa bei den Wählern auf breiten Zuspruch. Neue politische Parteien, darunter auch die NSDAP, verkündeten offen ihre antisemitischen Ziele und formulierten antisemitische Parteiprogramme. Gleichzeitig wuchs die zionistische Bewegung weiterhin an und arbeitete an ihrem Ziel, einen autonomen jüdischen Staat im Land Israel zu gründen. Die Einwanderung von Juden in das palästinensische Mandatsgebiet wurde von den britischen Behörden jedoch stark eingeschränkt. Grund dafür war unter anderem die Sorge vor einer Eskalation der Gewalt und Unruhen, die von den dort ansässigen Arabern und Juden ausgingen. Die Einwanderungsbeschränkungen lösten bei vielen Zionisten Frustration aus.
Suche nach einem sicheren Zufluchtsort während des Holocaust, 1933–1945
Im Jahr 1933 kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht. Zahlreiche Juden versuchten, den allgegenwärtigen, vom Staat geförderten judenfeindlichen Maßnahmen und Gesetzen zu entfliehen. Sie hofften, in andere europäische Länder auswandern zu können oder in Länder wie die USA, Kanada oder das Mandatsgebiet Palästina. Deutschland zu verlassen war jedoch kein einfaches Unterfangen. Für die Auswanderung mussten unzählige Dokumente beantragt werden, die kostspielig und schwierig zu beschaffen waren. Selbst wenn es gelang, alle Papiere zu besorgen, gab es nur sehr wenige Länder, die bereit waren, Juden aufzunehmen.
In den 1930er Jahren begrenzten die Briten die Einwanderung der Juden in das palästinensische Mandatsgebiet immer stärker. Dennoch kamen zwischen 1933 und 1939 etwa 60.000 Juden aus Deutschland und seinen annektierten Gebieten dort an.
Im Mai 1939 gaben die Briten das politische „Weißbuch von 1939“ heraus. Darin waren die Pläne der britischen Regierung dargelegt, die jüdische Einwanderung in das Mandatsgebiet weiter einzuschränken. Dieser politische Richtungswechsel, eine klare Abkehr von der Belfour-Deklaration, enttäuschte und empörte die Zionisten. Der Zeitpunkt dafür war äußerst schlecht gewählt. In den Jahren 1938 und 1939 hatte das NS-Regime seine Grenzen und seine Reichweite durch Akte territorialer Aggression gegen angrenzende Länder erweitert. Dadurch fielen noch mehr Juden unter die Kontrolle des NS-Staats. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 stellte eine weitere Bedrohung für die jüdische Bevölkerung Europas dar. Die Nationalsozialisten gingen mit brutaler Massengewalt gegen die Juden in den von ihnen besetzten Gebieten vor und wurden dabei oft durch Verbündete und einheimische Kollaborateure unterstützt. Für diejenigen, die hofften, den Nazis durch eine Flucht ins Ausland zu entkommen, wurde das Reisen durch den Krieg immer schwieriger und zudem gefährlich. Kaum ein Land war bereit, sie aufzunehmen.
Im Verlauf des Kriegs eskalierte die judenfeindliche NS-Politik zu einem systematischen Massenmord. Die Nationalsozialisten, ihre Verbündeten und ihre Kollaborateure ermordeten in dem als Holocaust in die Geschichte eingegangenen Völkermord sechs Millionen jüdische Männer, Frauen und Kinder.
Das Mandatsgebiet Palästina während des Zweiten Weltkriegs, 1939–1945
Während des Zweiten Weltkriegs weitete sich der Konflikt zwischen Deutschland und Großbritannien und dessen Alliierten nach Nordafrika aus. 1942 stoppten die Briten das Vorrücken deutscher Truppen in Ägypten in der Schlacht von El Alamein. Dadurch verblieb das Mandatsgebiet Palästina unter britischer Kontrolle und die dort lebenden Juden wurden vom Völkermord der Nazis verschont.
Viele Juden im Mandatsgebiet Palästina wollten den Kampf gegen das NS-Regime unterstützen. Tausende meldeten sich als Freiwillige in der britischen Armee, andere kämpften in neu gegründeten jüdischen Einheiten. Hannah Szenes war eine junge, in Ungarn geborene Jüdin. Sie diente als Freiwillige in der britischen Armee und sprang mit dem Fallschirm hinter der deutschen Front ab, um zu versuchen, Juden zu retten. Bei ihrem Versuch, die Grenze in das von Deutschland besetzte Ungarn zu überqueren, wurde Hannah Szenes von den Behörden festgenommen. Sie wurde über mehrere Monate gefoltert. Ihre Mitstreiter hat sie nie verraten. Hannah Szenes wurde schließlich wegen Verrats verurteilt und hingerichtet. Die Jüdische Brigade der britischen Armee, die unter der Davidsternflagge kämpfte, wurde formell im September 1944 gegründet. Sie setzte sich aus mehr als 5.000 jüdischen Freiwilligen aus dem Mandatsgebiet Palästina zusammen. Zwischen März 1945 und dem Ende des Krieges im Mai 1945 in Europa kämpfte die Jüdische Brigade in Italien gegen die Deutschen.
Viele Juden im Mandatsgebiet Palästina hatten Familienangehörige und Freunde, die in Europa festsaßen. Besorgt warteten sie auf Nachricht von ihnen. Das Entsetzen war groß, als Informationen über den Massenmord an den europäischen Juden die Öffentlichkeit erreichten.
Flüchtlingskrise nach dem Krieg (1945–1948)
Als die siegreichen Alliierten im Frühjahr 1945 vorrückten, fanden sie Millionen europäischer Zivilisten vor, die weit von ihren Heimatorten entfernt lebten. Darunter befanden sich auch Tausende Überlebende des Holocaust. Neben der Ermordung von 6 Millionen Juden und Millionen anderer Menschen hatte das NS-Regime auch Zwangsumsiedlungen in einem nie dagewesenen Ausmaß durchgeführt. Die deutsche Politik während der Kriegsjahre führte zu einer der größten Flüchtlingskrisen, welche die Welt bis dahin erlebt hatte.
Deutschland kapitulierte im Mai 1945. In den darauffolgenden Monaten wurden Millionen von Menschen von den Alliierten zurück in ihre Heimatländer gebracht. Viele Überlebende des Holocaust weigerten sich jedoch, an ihre Wohnorte aus der Zeit vor dem Krieg zurückzukehren oder fühlten sich dazu nicht in der Lage. Sie hatten nicht nur ihre Familien und Gemeinden verloren, auch ihr Besitz und ihre Lebensgrundlage waren ihnen geraubt worden. Nach Hause zurückkehren bedeutete auch, sich dem nach wie vor vorhandenen Antisemitismus und schweren Traumata auszusetzen, die der Holocaust in ihnen ausgelöst hatte. Juden, die tatsächlich in ihre Ursprungsländer zurückkehrten, schlugen oft Feindseligkeit und Gewalt entgegen. Im polnischen Kielce beispielsweise wurden 42 Überlebende des Holocaust im Juli 1946 bei einem antisemitischen Überfall ermordet.
Viele Überlebende des Holocaust schafften es, in Teile Europas zu gelangen, die von den westlichen Alliierten befreit worden waren. Sie hofften, eine neue Heimat zu finden, in der sie sich niederlassen und ein neues Leben beginnen konnten. Die Erfüllung dieser Hoffnungen blieb jedoch weiterhin schwierig. Für die USA, das britisch kontrollierte Mandatsgebiet Palästina und andere Ziele galten weiterhin Einwanderungsbeschränkungen.
In den von den Alliierten besetzten Gebieten Westeuropas wurden viele Überlebende des Holocaust in Lagern für Displaced Persons (DP) untergebracht. Auf dem Höhepunkt im Jahr 1947 betrug die Zahl der in DP-Lagern lebenden Juden etwa 250.000. Die Lager waren nie als dauerhafte Lösung vorgesehen gewesen und in den meisten herrschten desolate Zustände.
Amerikanische und britische Debatten über jüdische Flüchtlinge
Das Schicksal der jüdischen Displaced Persons (DPs) war ein Streitpunkt zwischen der US-amerikanischen und der britischen Regierung. Im Sommer 1945 führte der US-Vertreter des Intergovernmental Committee for Refugees, Earl G. Harrison, eine Untersuchung durch, um die Bedürfnisse jüdischer und anderer DPs zu ermitteln, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten. In seinem Bericht kritisierte Harrison die Zustände in den Lagern scharf. Er berichtete von Überfüllung und unhygienischen Bedingungen. Und er unterbreitete Empfehlungen zur Verbesserung der Lage jüdischer DPs. Harrison sah dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich der Umsiedlung der jüdischen Flüchtlinge. Laut Harrisons Bericht wünschten sich die meisten jüdischen DPs, im Mandatsgebiet Palästina zu leben. Er verwies auf die Petition der Migrantenorganisation Jewish Agency of Palestine. In dieser Petition wurde die britische Regierung aufgefordert, weitere 100.000 Einwanderungszertifikate für Juden auszustellen.
US-Präsident Harry S. Truman leitete den Harrison-Bericht an den britischen Premierminister Clement Attlee weiter. Truman drängte Großbritannien, weiteren 100.000 jüdischen DPs die Einwanderung in das Mandatsgebiet Palästina zu gestatten. Attlee wies sowohl den Vorschlag Trumans als auch die Empfehlungen des Harrison-Berichts zurück. Er warnte Truman vor einer „einschneidenden Verschlechterung“ der britisch-amerikanischen Beziehungen, sollte die US-Regierung die Einwanderung von Juden in das Mandatsgebiet Palästina öffentlich befürworten.
Bemüht, die Spannungen mit den USA abzubauen, richteten die Briten das „angloamerikanische Untersuchungskomitee zu Palästina“ ein. Das Komitee nahm sich der Beanstandungen des Harrison-Berichts an. Der im April 1946 erstellte Ergebnisbericht bestätigte die Ergebnisse Harrisons. Das Komitee empfahl ebenfalls, 100.000 Juden die Einreise nach Palästina zu gewähren. Die Briten lehnten die Empfehlungen abermals ab.
Überlebende des Holocaust und Zionismus in den DP-Lagern
Nach dem Holocaust war es der Wunsch vieler Überlebender, Europa zu verlassen. Der Zionismus versprach ihnen Hoffnung und einen Weg in die Zukunft. Zwischen 1945 und 1948 wurde das britisch kontrollierte Mandatsgebiet Palästina für eine steigende Zahl jüdischer Überlebender zum Auswanderungsziel ihrer Wahl.
David Ben-Gurion, Führer der jüdischen Gemeinde im Mandatsgebiet Palästina, besuchte die DP-Lager in Europa in den Jahren 1945 und 1946 mehrmals. Seine Besuche stärkten Moral und Zusammenhalt bei den DPs sowie die Unterstützung für die Gründung eines jüdischen Staates. Jüdische DPs wurden zu einer einflussreichen Treibkraft zionistischer Ziele. In den DP-Lagern fanden regelmäßig Massenproteste gegen die restriktive britische Einwanderungspolitik statt.
Die Briten blieben davon unbeeindruckt und setzten ihre restriktive Einwanderungspolitik fort. Dies bestärkte viele Juden in ihrem Entschluss, sich mit allen möglichen Mitteln nach Palästina durchzuschlagen. Zwischen 1945 und 1948 siedelte die Organisation Briḥah (Hebräisch für „Entkommen“ oder „Flucht“) mehr als 100.000 Juden aus Osteuropa in die Besatzungszonen der Alliierten und Vertriebenenlager um. Von dort aus leitete die Jüdische Brigade ein Netz von Gruppen, die Schiffe organisierten, auf denen Vertriebene ohne britische Genehmigung in das Mandatsgebiet Palästina gelangen sollten.
Die Briten fingen die meisten dieser Schiffe ab und verweigerten ihnen das Anlegen im Hafen. Zwischen 1945 und 1948 nahmen die Briten mehr als 50.000 jüdische Flüchtlinge auf See in Haft. Sie wurden in Arrestlager auf der Mittelmeerinsel Zypern geschickt. Besonderes Aufsehen erregte ein Ereignis im Jahr 1947, als die Briten das Schiff Exodus 1947 stoppten. An Bord befanden sich 4.500 Überlebende des Holocaust. Die Briten verweigerten ihnen die Einreise in das Mandatsgebiet Palästina und verbrachten sie in die britische Besatzungszone nach Deutschland. Der Vorfall wurde weltweit bekannt und war eine Blamage für die britische Regierung. Er stärkte das Bewusstsein der Öffentlichkeit und die Anteilnahme am Schicksal der europäischen Juden nach dem Krieg. Und er trug dazu bei, dass die internationale öffentliche Meinung umschwenkte und die schließliche Anerkennung des jüdischen Staates im Jahr 1948 begünstigte.
Überlebende des Holocaust und die Gründung des Staates Israel
Als die Flüchtlingskrise eskalierte, übergab die britische Regierung die Angelegenheit den Vereinten Nationen (United Nations, UN). In einer Sondersitzung stimmte die UN-Generalversammlung am 29. November 1947 für die Aufteilung des Mandatsgebiets Palästina in zwei neue Staaten: einen jüdischen und einen arabischen. Die Empfehlung wurde von den jüdischen Vertretern akzeptiert, während die arabischen sie ablehnten.
Im April 1948 begannen die Briten mit dem Rückzug ihrer Truppen. Daraufhin bereiteten die zionistischen Führer die formelle Errichtung eines modernen jüdischen Staates vor. Am 14. Mai 1948 kündigte David Ben-Gurion die Gründung des Staates Israel an. Er erklärte:
„Der [H]olocaust der Nazis, der über das jüdische Volk hereinbrach und in Europa Millionen von Juden vernichtete, bewies abermals, dass das Problem der jüdischen Heimatlosigkeit durch die Wiederherstellung des jüdischen Staates gelöst werden muss, eines Staates, dessen Pforten jedem Juden offenstehen und der dem jüdischen Volk den Rang einer gleichberechtigten Nation in der Völkerfamilie sichert.“
– Unabhängigkeitserklärung (übersetzt) des jüdischen Staates, veröffentlicht am 15. Mai 1948 in der New York Times
Präsident Truman erkannte noch am gleichen Tag den Staat Israel an. Sämtliche Einwanderungsbeschränkungen für Juden wurden aufgehoben. Unmittelbar danach kamen die ersten Überlebenden des Holocaust im neuen Staat Israel an. Viele Überlebende kämpften und starben im israelischen Unabhängigkeitskrieg (1948–1949). Wenngleich sie nur eine Minderheit der Bevölkerung Israels ausmachten, sollten die Überlebenden des Holocaust noch erhebliche Beiträge für die Nation leisten. Für die Überlebenden und ihre Familien auf der ganzen Welt bleibt der Staat Israel eine wichtige Quelle der Sicherheit und des Stolzes.
Fußnoten
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Footnote reference1.
Unter den Osmanen wurde dieses Gebiet nicht als eine administrative Einheit behandelt und es gab keine osmanische Provinz und keinen osmanischen Bezirk, der offiziell den Namen Palästina trug. Gegen Ende des osmanischen Zeitalters regierten die Vilâyets (territoriale Verwaltungseinheiten) Beirut und Syrien Teile des Gebiets. Die Mutesarrifen von Jerusalem regierten den Bereich um die Stadt Jerusalem.
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Footnote reference2.
Der neu eingerichtete Völkerbund bediente sich eines Mandatsystems, um die Verwaltung bestimmter Gebiete zu regulieren, darunter die ehemaligen Kolonien Deutschlands in Afrika und einige Gebiete des ehemaligen Osmanischen Reichs. Die Verwaltungskontrolle wurde bestimmten Mitgliedern des Völkerbundes übertragen, die als „Mandatsmächte“ bezeichnet wurden.